Der Bereich der Künstlichen Intelligenz wächst rasant, und genau so verhält es sich auch mit den Herausforderungen. Wie man damit umgeht, verrät Dr. Julia Imlauer in ihrem Referat am diesjährigen Inspiration Day Ost.
Julia Imlauer, wo nutzen Sie in Ihrem Alltag besonders gerne KI?
Künstliche Intelligenz begleitet mich in vielen Bereichen meines beruflichen Alltags. In meiner Rolle als Software-Entwicklerin unterstützt mich KI-basierte Coding-Tools, um effizienter zu sein. Im Business Development nutze ich KI-gestützte Sprachmodelle ein, um Business-Recherchen durchzuführen und über neue Geschäftsmöglichkeiten zu identifizieren. Ich nutze auch KI-Modelle zur Bildgenerierung, um erste Vorschläge für Visualisierungen zu erstellen. Sie sehen, als Gründerin und Unternehmerin habe ich viele verschiedene Hüte auf und KI unterstützt mich in vielen Aspekten.
Sie haben vor einem Jahr Ihre Festanstellung aufgegeben, um Ihr KI Startup zu gründen. Rückblickend: Wie wagemutig war Ihr Entscheid?
Ich arbeitete bereits vor meinem Ausstieg aus dem Angestelltenverhältnis aktiv an der Gründungsidee und beleuchtete neben der technischen Realisierbarkeit auch die Marktakzeptanz durch Kundeninterviews. Zu dem Zeitpunkt des Ausstiegs hatte ich also einen ersten Überblick über den Markt und eine gute Abschätzung für den Aufwand der Implementierung. In meinem Fall war es ein sehr kalkuliertes Risiko und keine wagemutige Entscheidung mehr.
Gab es Situationen, in welchen Sie Ihre Entscheidung bereut haben?
Nein! Während dieser Zeit durfte ich an so vielen Themen wachsen, zu denen ich in der Anstellung überhaupt keinen Zugang hatte. Ich habe meine Komfortzone bereits jetzt stark erweitert. Natürlich gibt es auf der bisherigen Startup-Reise immer Höhen und Tiefen – und genau die gilt es, zu meistern. Das ist einer der wichtigsten Skills, die sich Gründer und Gründerinnen von Anfang an aneignen müssen. Denn der Aufbau eines Unternehmens ist kein Sprint, sondern ein Marathon.
KI bietet unzählige Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen. Gelingt es uns überhaupt, damit umzugehen?
Ich behaupte, genau das ist die Aufgabe von uns, SW Entwicklern und Entwicklerinnen, die KI Algorithmen in ihren Produkten einsetzen. Wir müssen immer die potentiellen Risiken abwägen und Strategien implementieren, wie diese vermieden werden können. Ich weiss, es gibt leider viele negative Beispiele, in denen KI Lösungen nicht verantwortungsvoll eingesetzt wurden. Wir kennen alle die Fälle von voreingenommenen Recruiting Tools, rassistischen Bots, oder Bildausgaben, die Stereotypen noch weiter verstärken.
Wie reagieren Sie darauf?
Gerade als Unternehmerin und Entwicklerin ist es mir hier doppelt wichtig, dass unsere KI-Lösungen funktionieren. Einerseits, um dem Anspruch an das Produktes gerecht zu werden. Andererseits, um unseren Kunden damit auch die Sicherheit zu geben und ihr Vertrauen zu stärken, dass unsere KI Lösung funktioniert. Funktioniert bedeutet in unserem Kontext: keine voreingenommenen Evaluierungen abgeben, verlässliche Auswertungen der Sensordaten liefern und dem User nachvollziehbare Ergebnisse präsentieren.
Worin liegen bei Ihnen und Ihrem Startup die grössten Herausforderungen?
Das Spannende an der Startup-Gründung ist, dass die Herausforderungen wöchentlich wechseln. Einmal liegt der Fokus mehr auf der Business Seite wie der Eingrenzung der Kundensegmente, oder auf der Vertriebsseite, wie diese Kunden auch erreicht werden können. In einer anderen Woche tüfteln wir an neuen Produktfeatures, um die Wünsche unserer Kunden zu erfüllen. Es ist sehr vielseitig!
Alles Neue ist auch erst einmal mit Unsicherheit behaftet. Wie gross sind die Hürden, die Sie nehmen müssen, um die Kundschaft zu überzeugen?
Weniger gross als erwartet. Wir hatten die Annahme, dass Mittelstandsunternehmen einen gewissen Respekt vor KI-Anwendungen in der Personalentwicklung zeigen, wurden jedoch sehr positiv überrascht. Gerade besteht eine grosse Neugierde, denn KI Tools eröffnen der Personalentwicklung gänzlich neue Möglichkeiten – vor allem in dezentralen Fortbildungsmassnahmen.
Wie stellen Sie sicher, dass Ihre KI-Lösungen ethisch entwickelt und vor allem eingesetzt werden?
Wir fangen hier bereits bei einer diversen Teamzusammensetzung an. Wir hoffen so, bereits in frühen Stadien, Voreingenommenheiten, sogenannte Bias, in Daten und Algorithmen durch Tests zu erkennen. Denn diverse Teams denken hier viel breiter als homogene Teams. Weiters untersuchen wir unsere (Test-)Datensätze sehr genau und überprüfen, ob diese Bias beinhalten. Durch den EU-AI Act bekommen wir auch gewisse Auflagen zur Transparenz für Datensätze und Algorithmen, die auch das Vertrauen unserer User stärken, da wir genau offenlegen, auf welchen Daten getestet und trainiert wurde.
Sie kamen schon früh mit der Technik in Berührung. Wie kamen und kommen Sie in einem eher männerdominierten Umfeld zurecht?
Meine grosse Leidenschaft ist die Technik und die Implementierung von innovativen Produkten. Ich kenne (leider) nur dieses Arbeitsumfeld und stehe wie jeder andere Techniker absolut hinter meinen Ideen und Implementierungen. Ich setze diese auch genau so durch, wie jeder andere Mann. Leider habe ich zu wenige Kolleginnen in meinem Feld und sehe auch, wie Produktentwicklungen darunter leiden. Denn oft werden hier eher männliche Anforderungen umgesetzt, da einfach mehr Männer im Raum sind und weibliche Anforderungen an das Produkt schlichtweg vergessen werden. Das passiert auch überhaupt nicht absichtlich oder böswillig. Das ist einfach das Ergebnis von homogenen Gruppen, die in der Technik eben männlich geprägt sind.
Gibt es Bemühungen, wie sich das ändern lässt?
Ich setze mich ehrenamtlich in Jugendtechnik Programmen ein, um Mädchen Lust auf das Programmieren zu machen. Zusätzlich engagiere ich mich auch in Frauennetzwerken, um Frauen Möglichkeiten des Quereinstiegs in der Technik aufzuzeigen. Mir ist durchaus bewusst, dass das leider nur Nadelstiche in einem grösseren strukturellen Problem sind, aber vielleicht löse ich ja doch bei der einen oder anderen einen Berufswunsch in der Technik aus.
KI wächst rasant. Was denken Sie, wird uns in den nächsten Monaten und Jahren beschäftigen?
Aktuell sehen wir immer grössere und mächtigere Modelle, die scheinbar Unmögliches leisten. Leider werden dabei aktuell die Rechenressourcen, die diese Modelle für den Betrieb benötigen, von der Bevölkerung völlig unterschätzt. Wenn die Modelle in diesem Tempo grösser werden und immer mehr Rechenpower benötigen, können wir diese einfach nicht mehr zu den Dumpingpreisen benutzen wie heute. Deshalb werden wir in den nächsten Jahren vor allem einen Fokus auf effizientere KI-Algorithmen sehen oder vielleicht sogar neue Architekturen, die effizienter sind.
Welche Tipps haben Sie für Menschen, die ebenfalls darüber nachdenken, ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Wenn Sie eine Idee haben, die Sie regelmässig beschäftigt, ist das bereits ein Start. Wenn Sie sich auch vorstellen können, damit zu gründen, versuchen Sie vorab mit möglichst vielen Menschen darüber zu sprechen. Am besten natürlich bereits mit Ihrer potentiellen Zielgruppe. Dadurch wird die Idee immer weiter reifen, bis Sie selbst merken, dass Sie so weit sind, um damit durchzustarten. Auf dem Weg werden Sie auch sehr viele Meinungen und Kommentare hören. Die Kunst besteht darin, herauszufiltern, was für Sie im Moment das Wichtige ist.
(Bild: Depositphotos/pd)
Weitere Infos zum Inspirations-Day gibt es hier.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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