Ein «Die Ostschweiz»-Leser – nennen wir ihn «Kurt» – hat seit rund 15 Jahren eine Affäre. Nicht mit einer Frau, sondern mit einem Mann.
Die meisten von uns haben sie: Geheimnisse. Und einige von uns suchen ihr Glück auch in Affären. «Die Ostschweiz» wollte das etwas genauer wissen und hat Anfang Februar die Leserinnen und Leser dazu eingeladen, an einer entsprechenden Umfrage teilzunehmen.
Neben eher allgemeinen Fragen («Wie oft lügen Sie?») suchten wir darin auch nach einer Person, die eine Affäre hat und bereit ist, anonym darüber zu sprechen. Tatsächlich hinterliess ein gutes Dutzend der Teilnehmenden eine Email-Adresse.
Einer davon war «Kurt», der sich in der Folge für einen telefonischen Austausch zur Verfügung stellt. Kurt geht auf die 50 zu, wohnt im Kanton St.Gallen und arbeitet in einem traditionellen Handwerksberuf. Kurt ist seit 18 Jahren verheiratet und Vater von zwei Kindern. Und Kurt führt eine sexuelle Beziehung mit einem guten Kollegen.
Niemand wisse von diesem Geheimnis. Und sein Umfeld wäre wohl auch ordentlich überrascht – nicht nur vom Umstand, dass Kurt seine Frau betrügt, sondern auch von seiner Lust auf das männliche Geschlecht. «In der Gegend, in der ich wohne geht man nicht sehr offen mit solchen Themen um», erläutert er.
Begonnen hat das Ganze vor rund 10 bis 15 Jahren – so genau weiss «Kurt» das nicht mehr. Schon damals sei die heutige Affäre ein guter Kollege gewesen. Und irgendwann seien sie beiden vom Reiz übermannt worden und hätten sich der Lust hingegeben. Und dieser Reiz ist bis heute geblieben. Es gehe denn auch viel mehr darum, zwischendurch etwas «anderes» auszuprobieren, als um tiefe Gefühle. Und nein, Gewissenbisse gegenüber seiner Frau würden ihn keine plagen. «Anfangs war das noch anders», so Kurt. «Da spürte ich schon hin und wieder ein schlechtes Gewissen.» Über all die Jahre und mit den regelmässigen Begegnungen sei dieses aber so gut wie gänzlich verflogen.
Auf die Frage, ob er auch schon mit dem Gedanken gespielt habe, seiner Frau von der Affäre zu beichten oder sie gar für den Kollegen zu verlassen, sagt Kurt klar: «Nein, das käme mir nicht in den Sinn. Ich will die Beziehung zu meiner Frau nicht verlieren.»
Der Grund, weshalb er offen für einen Austausch mit «Die Ostschweiz» war, sei relativ simpel: «Ich habe an der Umfrage teilgenommen und mir gedacht, dass ich ja ohne Bedenken Auskunft geben kann – weil es anonym bleibt.» Offenbar gibt man ein Geheimnis durchaus gerne preis, wenn es geheim bleibt.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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