13 Geheimnisse hat durchschnittlich jeder von uns – manche kaum weiter tragisch, andere jedoch durchaus schwerwiegender. Wie in etwa dann, wenn kriminelle Machenschaften ins Spiel kommen oder Versicherungsbetrug. Auf Letzteres hat sich die Firma Invell AG aus St.Gallen spezialisiert.
Wie viel Sherlock Holmes steckt wirklich in den Privatdetektiven? Und wie misstrauisch sind sie jobbedingt in ihrem Privatleben? Eine Spurensuche.
Ein bisschen schnüffeln da, ein verdeckter Hinweis dort. Schnell ist Lunte gerochen und er auf der richtigen Spur. Es geht um Mord, um Betrug, um sexuelle Machenschaften. Keine «kleinen» Fälle eben, sondern solche mit richtig «Fleisch am Knochen». Kein Fall ist zu schwierig, um nicht gelöst zu werden. Es gibt nur Schwarz oder Weiss, schuldig oder unschuldig, Lüge oder Wahrheit. Am Schluss wandert der Betrüger in den Knast, das Gute gewinnt. Der Gewinner ist der Detektiv, welcher von Anfang an den richtigen Riecher gehabt hat. Das Leben könnte so einfach sein – wenn es sich auf der Leinwand abspielen würde. Tut es aber nur in den seltensten Fällen. Und genau so wenig ähnelt das Berufsbild eines Privatdetektivs in Wirklichkeit mit demjenigen aus dem Film. «Viele Leute stellen sich einen Privatdetektiv wie Matula aus der Fernsehserie «Ein Fall für Zwei» oder Philip Maloney von SRF vor. Das Bild stimmt in der Realität nicht so ganz», fasst es Philipp Stäuble, Geschäftsführer von Invell AG in St.Gallen, zusammen. Und er muss es schliesslich wissen. Denn das Unternehmen hat sich auf Versicherungsbetrug spezialisiert. «Im Idealfall werden wir von der Umwelt nicht wahrgenommen und arbeiten viel am PC – oder warten verdeckt in der Nähe des Aufenthaltsortes der Zielperson. Somit haben wir nicht viel ‘Action’ im Beruf.»
Krank oder nicht?
Für all diejenigen Krimifans, die auch nach dieser Enttäuschung noch weiterlesen, gibt es immerhin einen kleinen Trost: Spannend sind die Fälle schon, mit welchen die Privatdetektive zu tun haben. Da ist vielleicht ein selbstständiger Plattenleger ohne Angestellte, der seit längerer Zeit hundertprozentig krankgeschrieben ist.
Seine Krankentaggeldversicherung schöpft jedoch Verdacht, da dieser Herr im Internet weiterhin seine Dienste anbietet. In solchen Fällen kommt Philipp Stäuble und sein Team ins Spiel. Der besagte Herr wird überprüft, ob er nun wirklich krank ist – oder einfach nur das Versicherungsgeld einheimst. Ein anderer Fall, das gleiche Problem: Bei der IV-Stelle geht ein Hinweis ein, dass eine Frau trotz IV-Rente bei einer Reinigungsfirma arbeitet. «Dann werden wir mit der Sachverhaltsabklärung beauftragt», sagt Stäuble.
Ehemalige Polizisten
Privatdetektiv wird man nicht «einfach so». Beim St.Galler Unternehmen sind alle Angestellten ehemalige Kriminalpolizisten und -polizistinnen. Somit sei gewährleistet, dass das Personal die nötigen Fähigkeiten in der Ermittlung, Recherche und Observation mitbringt. Für Observationsaufträge von IV-Stellen oder Unfallversicherungen wird zusätzlich noch eine spezielle Bewilligung vom Bundesamt für Sozialversicherungen benötigt. Diese sei aufgrund der Voraussetzungen fast nur durch ehemalige Polizeibeamte zu erlangen, sagt Stäuble. «Somit müssten wir uns, falls wir zusätzlichen Personalbedarf hätten, an einen solchen Personenkreis wenden.»
Keine Sonderbehandlung
Handfeste Beweise liefern, dabei aber möglichst unsichtbar bleiben – das ist wohl die grösste Herausforderung für die Detektive. Vieles hat dabei mit dem Datenschutz zu tun. Und auch da müssen sich die Berufsleute an alle Gesetze halten. Man habe nicht mehr Rechte als ein Bürger. Und das aus guten Gründen. «Einerseits wäre das Ermittlungsergebnis vor Gericht nicht verwertbar, wenn nicht alle Handlungen und Ermittlungsmethoden auf dem legalen Weg erfolgt wären. Zweitens könnte uns unter Umständen die Bewilligung vom Bundesamt für Sozialversicherungen entzogen werden, was in unserem Fall faktisch einem Berufsverbot gleichkommen würde.»
Jeder hat Geheimnisse
Philipp Stäuble mag sich an viele Fälle erinnern, die ihn zum Nachdenken anregen. Aus Datenschutzgründen kann er zwar nicht besonders viel darüber verraten. Wenn jedoch ein IV-Rentner auf einer Baustelle regelmässig einer strengen Arbeit nachgeht, dann sei das «schon sehr speziell – und es bleibt einem in Erinnerung.» Und wie misstrauisch ist er jobbedingt geworden? Riecht er hinter jeder Aussage eine faule Ausrede? Glaubt er noch an das Gute im Menschen? Hier kann Stäuble beschwichtigen: Man ermittle nur in Fällen mit begründeten Anfangsverdachten. Wenn andere Mittel, wie beispielsweise medizinische Gutachten, die Zweifel nicht ausräumen konnten, werden Detektive eingesetzt. Hierzu gäbe das Gesetz den genauen Spielraum vor. «Es darf nicht jemand aus einer Laune oder einem Bauchgefühl heraus observiert werden. Es gibt bestimmt Länder, wo das möglich ist, bei uns in der Schweiz aber zum Glück nicht.» Bei seiner Arbeit werden die Feststellungen immer objektiv gemacht und, wenn möglich, auch mit Bildaufnahmen dokumentiert. «Da geht es nicht um Misstrauen, sondern nur um eine objektive Wahrnehmung und Berichterstattung. Wir hatten auch schon Fälle, wo der Anfangsverdacht nicht bestätigt oder sogar widerlegt werden konnte.» Als ehemaliger Polizist weiss Stäuble jedoch: «Jeder Mensch hat seine Geheimnisse.»
Und wie verhalten sich die Menschen, wenn diese aufgedeckt werden? Wird es dann gefährlich? Auch hier werden Krimifans vielleicht enttäuscht. «Nein, da wir mit den Zielpersonen nicht in Kontakt treten und sie uns nicht wahrnehmen.» Das war bei der früheren Tätigkeit bei der Polizei eher der Fall, so Stäuble weiter. Dennoch gefällt ihm der Job – auch wenn er weniger actionreich ist, als viele vielleicht denken würden.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.