Am Spätnachmittag des 13. August 1943 trauten viele Wilerinnen und Wiler ihren Augen und Ohren nicht. Um zirka 16 Uhr umflog mit lautem Brummen ein viermotoriger Bomber der amerikanischen Streitkräfte in geringer Höhe die Stadt.
Die B-24 Liberator mit der Bezeichnung «Death Dealer», Kennummer 240611, war mit einer Flotte von 113 weiteren Maschinen morgens um sieben Uhr von ihrem Stützpunkt in Bengasi in Libyen gestartet. Ziel war die Bombardierung der Produktionsstätte der gefürchteten Jagdflugzeuge Me 109 der Nazis in Wiener Neustadt.
Reduzierte Leistung
Auf dem Weg zum Ziel fiel in einem Motor der Öldruck. Er musste ausgeschaltet werden. Etwas später wurde von der Flugabwehr ein weiterer Motor beschädigt. Eine Rückkehr zum Ausgangspunkt war mit der reduzierten Motorenleistung nicht mehr möglich. Mit den verbliebenen zwei Motoren konnte die Maschine ihre Höhe nicht mehr halten, auf rund 3000 Metern über Meer flog sie aus Wien Richtung Bodensee, um sich in die Schweiz zu retten. Die zehn Mann Besatzung war wenig optimistisch, dass die Rettung auf neutralen Boden gelingen würde.
Grosse Kurve
In der Nähe der Schweiz hatte der Pilot Mühe mit der Orientierung, infolge reduzierter Motorenleistung musste er Berge umfliegen. Er flog schliesslich via Rheintal Richtung Bodensee. In einer grossen Kurve erreichte er bei Romanshorn Schweizer Territorium.
Schliesslich setzte er über Zuzwil, Maugwil und Dreibrunnen um zirka 16 Uhr in der Ebene der Thurau zu Landung an. Dabei knickte durch einen Zaun das Bugfahrwerk ein. In der Folge erlebte die Besatzung eine harte Landung. Die Maschine wurde anschliessend von der Flugzeug-Crew in Brand gesetzt, dies in der Annahme, dass sie sich auf deutschem Gebiet befinde.
Dabei ging auch ein Teil der Munition mit lautem Knallen in Flammen auf. Eine riesige Rauchsäule kennzeichnete den Landplatz. Später wurden die Wrackteile von der Schweizer Armee geborgen und via Bahnverlad in Wil nach Dübendorf spedierte, wo sie eingehend untersucht wurden.
Die Wiler Bevölkerung nahm die amerikanische Flugzeugbesatzung freundlich auf.
Von Soldaten erschossen
Am 15. August 1943 verliess diese Wil per Bahn. Der Pilot Alva Jack Geron kehrte rund ein Jahr später via Spanien in die USA zurück. Zwei Besatzungsmitglieder flohen nach Frankreich, eines schloss sich der Resistance an, eines wurde von deutschen Soldaten erschossen. Weitere Besatzungsmitglieder arbeiten für die amerikanische Botschaft in Bern bzw. für das Rote Kreuz. Die weiteren Männer kehrten nach Kriegsende nach Grossbritannien zurück.
Die Notlandung in Wil war der Auftakt zu insgesamt 158 Notlandungen und Abstürzen von Kampfflugzeugen der Alliierten während des 2. Weltkriegs in der Schweiz.
Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.
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