Ralph Weibel sieht Sachen, die andere nicht sehen, und sagt Dinge, die andere nicht sagen. In der Rubrik «Weibel wirbelt auf» nimmt er uns mit auf eine Reise durch die Absurditäten des Alltags. Heute geht es um die Wahl von Bettina Surber bzw. eine nette telefonische Aufforderung.
Bei den meisten Männer löst der Ausblick auf das Einkaufen an einem Samstagmorgen in etwa dieselben Gefühle aus, wie der auf eine Vorsorgeuntersuchung. Sehr unangenehm, aber manchmal muss es halt einfach sein. Insbesondere dann, wenn die vorhandene Bekleidung für den Unterleib näher bei einem Fischernetz ist als bei einem Keuschheitsgürtel.
Die Partnerin drängt seit Monaten unmissverständlich auf den Ersatz der überstrapazierten Textilien. Frauen müssen übrigens 17 Büstenhalter probieren bis einer passt und sich nach dem Kauf betrinken, habe ich kürzlich gelesen. Als Mann gehe ich sicherheitshalber schon vor dem Besuch im Laden mit «hochwertiger, Schweizer Wäsche und Loungewear» in der Stadt zum Apéro.
Etwas Mut antrinken kann nicht schaden, bevor man von der Verkäuferin verhängnisvolle Sätze hört wie: «Ja, das breite Gummiband schwappt unter dem Bauchansatz gerne um.» Lieber hätte man, es würde nicht schwappen, aber so lange kann ich den Bauch nicht einziehen, ohne eine Ohnmacht zu riskieren. Jedenfalls scheint alles recht, um den Eintritt ins Geschäft möglichst lange hinauszuzögern.
Da kommt es gerade recht, wenn das Handy klingelt. Genau im richtigen Moment. «Hallo, hier ist die SP, wir machen heute auf die Wahlen für die St. Galler Regierung aufmerksam.» Mein Gott, denke ich, steht es schon so schlimm mit der Sozialdemokratie, dass jetzt jeder einzelne Wähler angerufen werden muss? Man will von mir wissen, ob ich mich denn schon entschieden hätte. Ich verneine mit der Begründung, ich wisse noch nicht, ob die Gummibänder nicht umschwappen, wegen dem Bauchansatz.
Offensichtlich kommt die Antwort für mein Gegenüber genauso unerwartet wie für mich der Anruf. Es ginge nicht um Gummibänder, sondern die Wahl von Bettina Surber in die Regierung. Eine starke linke Vertretung in der Regierung sei sehr wichtig, werde ich aufgeklärt. Meiner Frau sei es wichtiger, mich nicht mehr in löchrigen Unterhosen zu sehen, sage ich. Ernte Verständnis, gepaart mit dem Hinweis, mein Problem sei gravierend, für die Rettung des Kantons aber unerheblich.
Jetzt soll ich schon vor der Lingerie meine Hosen runterlassen. Ohne Umschweife werde ich gefragt, wen ich denn wählen werde. Wenn sich Bettina Surber für ein Verbot von Verkäuferinnen-Sätzen wie «…breite Gummibänder schwappen unter dem Bauchansatz gerne um» einsetzen würde, könnte ich mir überlegen, sie zu wählen, gebe ich zur Antwort und weise diskret auf das Wahlgeheimnis hin.
Es wird mir versichert, die SP nähme meine Anregung ins nächste Parteiprogramm auf und stufe die Dringlichkeit gleich ein wie die Schaffung von bezahlbaren Mieten und Krippenplätzen. Lasse mir meine Wahl nicht entlocken und verweise darauf, es müsse ja auch niemand wissen, wie meine Unterwäsche aussieht. Nur so viel sei verraten, sie ist schwarz.
Der Stadt-St. Galler Ralph Weibel pflügt sich seit über 30 Jahren als Bühnenautor durch die Medienlandschaft. Mehrere Jahre produzierte er zudem die Satirezeitschrift «Nebelspalter».
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