Wie für Menschen kann auch bei Tieren eine frühzeitige Diagnose der wirksamste Schritt einer Krebsbehandlung sein. In einer St.Galler Tierarztpraxis steht das erste Gerät, mit dem sich Hautveränderungen bei Hunden auf ihr Krebsrisiko scannen lassen. Mit im Spiel ist die künstliche Intelligenz.
Krebs ist die häufigste Todesursache bei Hunden. Fast 50 Prozent aller Hunde über zehn Jahre erkranken in einer Form daran. Ein Drittel der Tumore befinden sich bei Hunden auf oder unter Haut.
Genau deshalb ist Aramis, ein zehn Jahre alter Dalmatiner, heute mit seiner Besitzerin Samantha Forrer aus Wolfhalden in die Tierarztpraxis von Filippo Bentivoglio im Westen der Stadt St.Gallen gekommen. Der Rüde hat einige «Büggel» unter der Haut, die seinem Frauchen seit einiger Zeit auffallen.
Nicht jede Wölbung ist ein bösartiger Tumor
Tierarzt Bentivoglio sagt: «Alles, was langsam wächst, ist tendenziell eher harmlos.» Will heissen: Lang nicht jede Wölbung ist ein bösartiger Tumor. Aramis hat unter dem Brustkorb zwei Knoten.
Seit kurzem steht in der Praxis von Bentivoglio ein neuartiges Gerät, das teure Behandlungen vermeiden kann, weil es gut- und bösartige Tumore frühzeitig erkennt. Innert weniger Minuten lässt sich mithilfe einer Art Tablet mit Scanner beurteilen, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Hauterscheinung krebsartig sein könnte.
Geduldig und einigermassen stressfrei
Die nichtinvasive Methode lässt Hund Aramis geduldig und einigermassen stressfrei über sich ergehen. Mit thermischen Prozessen und künstlicher Intelligenz untersucht das Gerät namens HT Vista, entwickelt vom Startup HTVet in Tel Aviv und vertrieben von Aveto mit Sitz in Uster, die betroffenen, für das Verfahren geschorenen Stellen. Der Scanvorgang, ausgeführt von der Praxisassistentin, erwärmt das Gewebe zehn Sekunden lang um etwa sechs Grad und lässt es anschliessend 40 Sekunden lang abkühlen.
Dabei werden die gemessenen Daten von einer optischen Infrarotkamera und mit Wärmesensorik im Profil des Hundes aufgezeichnet. Das Gerät analysiert die Daten und erkennt Anomalien.
Im Fall von Aramis ist das Ergebnis einigermassen überraschend: Während beim grösseren «Knollen» eine Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent herauskommt, dass dieser gutartig ist, lässt der Wert der kleineren Hauterhebung die Besitzerin aufhorchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine bösartige Hautveränderung handelt, liegt hier bei 61 Prozent. «Further investigation is needed», sagt das Gerät. Weitere Untersuchungen sind erforderlich.
«Und was heisst das nun?»
«Und was heisst das nun?», fragt Samantha Forrer den Tierarzt. Dieser rät zum vorsorglichen Herausschneiden der kleinen Tumore. Und zwar gleich alle. Dann sei Ruhe, verspricht er.
Es wird ein neuer Termin vereinbart. Die Hundebesitzerin ist erleichtert, dass es trotz kurzem Schreck über das besorgniserregende Resultat so einfach ist. Aramis schaut treuherzig zu ihr auf. Er wird unter Umständen dank der Vorsorgeuntersuchung noch lange ein gesundes, glückliches Leben als Dalmatinersenior führen.
So können Sie Ihren Hund selbst auf mögliche Anzeichen von Hautkrebs untersuchen:
Streicheln Sie und tasten Sie Ihren Hund regelmässig ab; dies ist auch eine gute Vorbereitung auf eine Untersuchung beim Tierarzt
Achten Sie auf Knoten auf oder unter der Haut, Verhärtungen, Beulen, Blasen, Hautwunden oder Verletzungen
Hat Ihr Hund Wunden, die nicht abheilen?
Hat Ihr Hund an bestimmten Stellen Juckreiz oder leckt er sich dort häufig?
Zeigt Ihr Hund Verhaltensänderungen oder zeigt er Probleme bei der Bewegung?
Gibt es Stellen, wo er sich nicht mehr streicheln lässt, oder hat er sogar Schmerzen bei Berührung?
Ist Ihr Hund vermehrt müde, isst er schlecht oder hat er stark zugenommen?
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Wenn Sie etwas Verdächtiges bemerken, ein Knötchen oder einen Knoten unter der Haut finden, notieren Sie Tag, Position, Grösse und machen Sie ein Foto. Suchen Sie so bald wie möglich Ihren Tierarzt auf, vor allem wenn der Knoten:
- ungefähr ein Zentimeter (Grösse einer Erbse) gross ist
- seit über einem Monat vorhanden ist
- sich in Grösse, Form und Farbe verändert oder sich entzündet hat
Weitere Informationen zur Behandlung mit HT Vista finden Sie hier.
(Bilder: Odilia Hiller)
Odilia Hiller aus St.Gallen war von August 2023 bis Juli 2024 Co-Chefredaktorin von «Die Ostschweiz». Frühere berufliche Stationen: St.Galler Tagblatt, NZZ, Universität St.Gallen.
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