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Gemeindefusionen Appenzell Ausserrhoden

Ausserrhoden nach der Abstimmung: Und jetzt, wie weiter nach dem Nein zu raschen Gemeindefusionen?

Im Kanton Appenzell Ausserrhoden kommt es nicht zu verordneten Gemeindefusionen. Ein neues Fusionsgesetz wird dennoch ausgearbeitet. Sind nun die Verfechter der «Eventualvorlage» in der Pflicht? Und was sagen jene Gemeinden, die sich klar für Fusionen ausgesprochen haben?

Marcel Baumgartner am 27. November 2023

Das Resultat des Abstimmungssonntags im Kanton Appenzell Ausserrhoden ist mit Blick auf die reinen Zahlen eindeutig. Weniger klar ist, was es nun hinsichtlich der nächsten Schritte bedeutet.

Die Stimmbevölkerung hat den Vorschlag der Regierung abgelehnt, die Anzahl der Gemeinden im Kanton von 20 auf fünf oder gar drei zu reduzieren. Angenommen wurde jedoch die sogenannte Eventualvorlage. Sie hat das Ziel, Fusionen von Gemeinden zu vereinfachen, die Initiative dazu aber den Gemeinden zu überlassen. Lesen Sie hier mehr zu den Resultaten und den Eckpunkten der Abstimmung.

Wäre die Vorlage der Regierung angenommen worden, wäre der weitere Weg mehr oder weniger vorgezeichnet gewesen. Wie aber sieht es nun aus? Wer ist in der Pflicht? Und wie wird das Resultat in Gemeinden gewertet, die sich deutlich für Fusionen ausgesprochen haben?

Das sagen die Sieger

FDP-Kantonsrat Marcel Walker (Hauptbild) aus Stein ist Vorstandsmitglied der «IG Selbstbestimmte Gemeinden» und hat sich für die «Eventualvorlage» eingesetzt. Er gehört somit zu den Siegern des Abstimmungssonntags.

Auf Anfrage der «Ostschweiz» sagt er: «Dass sich die Stimmbevölkerung mit einer solchen Klarheit für selbstbestimmte Fusionsvorhaben geäussert hat, war für mich überraschend, ist aber sehr hilfreich.» Die Situation sei nun klar, und alle involvierten und verantwortlichen Gruppen könnten klare Schlüsse ziehen.

«Vereinzelte Gemeinden habe sich gar für Zwangsfusionen ausgesprochen», so Walker weiter. «Dort, wo der Veränderungswille von neuen Kommunalstrukturen so ausgeprägt ist, müssen wir Möglichkeiten schaffen, damit dieser Wille in die Realität umgewandelt werden kann.»

Wer nun das Zepter in die Hand nehmen muss

Der FDP-Politiker sagt denn auch klar, wer nun das Zepter in die Hand nehmen muss: «Regierungs- und Kantonsrat sind in der Pflicht, den Verfassungsauftrag umzusetzen.» Das heisse konkret: Fusionshürden senken, Fusionsanreize schaffen und Fusionsgesetz auf den Weg bringen.

Man könne sich nun aber nicht einfach zurücklehnen und auf das besagte Gesetz warten. Die Arbeit bestehe auch darin, dafür zu sorgen, dass Fusionen in Gemeinden dereinst als annehmbares Instrument akzeptiert werden.

Grundstein dafür sei auch eine schonungslose Analyse mit Antworten auf Fragen wie:

  • Wo liegen heute und morgen unsere Stärken?

  • Wo sind wir bereits heute gefordert oder gar überfordert?

  • Wie können wir unsere Leistungen gegenüber der Bürgerschaft zukünftig erfüllen?

  • Müssen wir Aufgaben neu ordnen oder bringt tatsächlich eine Gemeindefusion die Lösung?

Walker fände es hierbei auch sinnvoll, wenn die «IG Selbstbestimmte Gemeinden» eine Rolle übernähme. Zwar sei der Vereinszweck mit der Annahme der Eventualvorlage nun erfüllt und damit die Arbeit grundsätzlich abgeschlossen. Aber in diesem Gremium sei – wie auch im gegnerischen Komitee – viel Knowhow vorhanden, das bei der Ausarbeitung des Fusionsgesetzes genutzt werden sollte.

Das sagen die «Verlierer»-Gemeinden

Sieben Gemeinden habe sich am Sonntag für den Vorschlag der Regierung ausgesprochen und damit einen klaren Willen zu Fusionen bekundet. Es sind dies Herisau, Hundwil, Trogen, Rehetobel, Wald, Grub und Heiden.

Wir haben Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten der besagten Gemeinden gefragt, wie sie das Abstimmungsresultat werten, und welche nächsten Schritte nun denkbar oder allenfalls bereits geplant sind. Hier die Antworten:

Margrit Müller

Margrit Müller, Gemeindepräsidentin von Hundwil

Margrit Müller, Gemeindepräsidentin von Hundwil: «Das Resultat in Hundwil hat mich gefreut und auch etwas überrascht, aber es zeigt, dass wir richtig argumentiert und aufgezeigt haben, wo wir stehen und wohin der Weg führen könnte. Wir werden nun dranbleiben und den Gesetzesprozess abwarten - mit dem Ziel, dass die verschiedenen Anliegen der Gemeinden angehört und die Gemeinden aktiv mitwirken können. Wir werden versuchen, uns einzubringen.»

Lisa Roth

Lisa Roth, Gemeindepräsidentin Trogen

Lisa Roth, Gemeindepräsidentin Trogen: «Die Gemeinde Trogen ist ein aussergewöhnlicher Ort. Es passiert nicht zum ersten Mal, dass die Abstimmungsresultate eine klare Antwort zeigen - und diese kann durchaus auch gegensätzlich zum Rest des Kantons sein. Trogen zeichnet sich immer wieder damit aus, dass die Menschen hier offen sind und eine Bereitschaft für Veränderungen oder Entwicklungen spürbar ist. Die Bevölkerung konnte sich mit dieser Abstimmung dazu äussern, ob sie sich eine Veränderung vorstellen kann und daran gearbeitet werden soll. Das Zeichen ist klar: Trogen kann sich das vorstellen. Und so werden wir das in der Exekutive selbstverständlich auf die Agenda nehmen.»

Robert Diethelm

Robert Diethelm, Gemeindepräsident Heiden

Robert Diethelm, Gemeindepräsident Heiden: «Heiden hat beide Vorlagen angenommen; beim Stichentscheid gab es drei Stimmen mehr für den Gegenvorschlag. Damit hat die Stimmbevölkerung von Heiden ihren Willen zur Zusammenarbeit auf Gemeindeebene deutlich unterstrichen. Regierung und Kantonsrat stehen nun in der Verantwortung, ein fusionsfreundliches Gesetz auszuarbeiten. Dies kann nur geschehen, wenn die Situation der Gemeinden vollumfänglich berücksichtigt wird. Insbesondere in den Bereichen der Raumplanung, der Entschuldung, der Infrastruktur und des Verkehrs, der Schule sowie bei Brauchtum und Kultur sind erhebliche Leistungen des Kantons nötig, damit Fusionsprojekte Erfolg haben können. Die Gemeinde Heiden wird den Pfad der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden weiterhin beschreiten: Sie ist offen für jede Art der sinnvollen Kooperation. Deshalb ist Heiden auch bereit, die Erarbeitung eines griffigen Fusionsgesetzes aktiv zu unterstützen.»

Marlis Hörler Böhi

Marlis Hörler Böhi, Gemeindepräsidentin Wald

Marlis Hörler Böhi, Gemeindepräsidentin Wald: «Die Bevölkerung hat einen klaren Entscheid getroffen. Dieser ist die verbindliche Grundlage für die weiteren Schritte. Sicher wird es anspruchsvoll, jede betroffene Gemeinde muss einem Fusionsprojekt zustimmen. Nun steht als erster Schritt die Vorbereitung des Fusionsgesetzes auf kantonaler Ebene an. Bis dieses vorliegt, ist es nicht sinnvoll konkrete Schritte zu entwerfen. Der Gemeinderat wird seine Aufgaben unverändert wahrnehmen und zu gegebener Zeit auf das Thema eingehen.»

Mathias Züst, Gemeindepräsident Grub: «Die Stimmberechtigten der Gemeinde Grub haben sowohl zum Gegenvorschlag wie auch zur Eventualvorlage ja gesagt. Bei der Stichfrage hat das Pendel zugunsten des Gegenvorschlags ausgeschlagen. Für die Bevölkerung ist es wichtig, dass die Aufgaben einer Gemeinde kompetent und zeitnah erledigt werden. Sie wollen einen möglichst guten Service. Mobilität ist dabei kein Hindernis. Es gibt aber auch Einwohner, die den persönlichen Kontakt und die kurzen Wege schätzen. Der Gemeinderat wird das Gespräch mit der Bevölkerung suchen, um das Abstimmungsresultat richtig interpretieren zu können. Aktionismus bringt wenig. Am Strategie-Workshop Ende Oktober 2023 hat sich der Gemeinderat mit der zukünftigen Entwicklung der Gemeinde Grub befasst. Das Dienstleistungsangebot soll weiter optimiert und bei der Erfüllung der Aufgaben die Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden vertieft werden.»

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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