Was haben Schulkinder mit der Politik zu tun? Im Fall Gossau so einiges. Sie müssen auf Exkursionen, Sonderwochen und Klassenassistenzen verzichten. Die Fraktionen reagieren unterschiedlich.
Es geht um einen Konflikt um das Budget 2024 der Stadt Gossau, das vom Stadtparlament vor Weihnachten zurückgewiesen wurde
Die Schulkinder sind die Leidtragenden dieser Entscheidung, indem sie vorerst auf Exkursionen, Sonderwochen und Klassenassistenzen verzichten müssen
Die Freie Liste Gossau (FLiG) und die SP kritisieren, dass zu lange die steigenden Aufwände ignoriert worden seien und keine konstruktiven Vorschläge der Stadtregierung und der Sparer im Stadtparlament gekommen seien
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«Alarmierend», «enttäuschend» und «ernüchternd»: Die Gossauer Stadtparlamentarierinnen und Stadtparlamentarier haben deutliche Worte gefunden, als sie vor Weihnachten über das Budget 2024 der Stadt Gossau diskutiert haben. Noch deutlicher haben sie ihren Unmut kundgetan, indem sie das Budget im Anschluss zurückgewiesen haben. Nun muss der Stadtrat noch einmal über die Bücher – und sich den Vorwurf gefallen lassen, zu lange einfach nur zugesehen zu haben, wie die Aufwände gestiegen sind.
Doch wo werden künftig Einsparungen gemacht? Darüber ist man sich – wenig überraschend – uneins. Im Februar soll über das bereinigte Budget entschieden werden. Die Folgen bekommen aber einige bereits jetzt zu spüren. Und es sind solche, die eigentlich gar nichts damit zu tun haben sollten: die Schulkinder der Stadt Gossau.
Keine Exkursionen oder Sonderwochen
Im Klartext heisst das für sie: Es dürfen keine Exkursionen oder Sonderwochen mehr durchgeführt werden. Auch Klassenassistenzen sind nicht mehr verfügbar, bis das Budget 2024 bewilligt wird – und klar ist, wo der Rotstift angesetzt werden muss. «Es ist sehr befremdlich, dass die Kinder nun unter dieser Rückweisung leiden müssen», sagt Matthias Ebneter, Fraktionspräsident FLiG - Freie Liste Gossau.
Die FLiG habe sich stets gegen die Rückweisung gewehrt und erwartet, dass Vorschläge aus jenen Reihen kommen würden, die das Budget zurückgewiesen haben. «Geschäfte verhindern, aber keine Vorschläge für Verbesserungen bringen, ist der schlechteste Weg, zu politisieren», so Ebneter weiter.
Auch für die SP-Fraktion ist klar, dass sich der Spardruck nicht auf die Lebensqualität in Gossau auswirken dürfe. «Die Leidtragenden dieser Rückweisung sind nicht zuletzt die Gossauer Schulkinder und Lehrpersonen. Sie mussten kürzlich erfahren, dass unter anderem Exkursionen, Sondertage und Wochen gestrichen werden», sagt SP-Fraktionspräsident Florian Kobler auf Anfrage der «Ostschweiz».
Ausgaben werden gestoppt
Etwas pragmatischer sieht es die FDP-Fraktion. Die Massnahmen, welche von Januar bis April/Mai vorgenommen werden, seien keine Sparmassnahmen, so Fraktionspräsident Sandro Contratto.
«Sie sind lediglich die Folge der Budgetrückweisung, was nun ein Ausgabestopp für nichtgebundene Ausgaben bedeutet. Nach der Verabschiedung des Budgets durch das Parlament finden Exkursionen, Sondertage und Veranstaltungen wieder normal statt.» Von den Massnahmen seien alle Departemente betroffen, nicht nur die Schule.
Feier ja, Exkursionen nein
Dennoch: Befremdlich wirkt die Tatsache, dass Kürzungen bei der Schule hingenommen werden müssen. Egal, wie lange sie andauern. Oder ob es sich schliesslich um ein reines Warnsignal handelt.
Für die 1200-Jahr-Feier der Stadt Gossau sind immerhin 1.2 Millionen Franken budgetiert. Die SVP-Fraktion betont indes, dass keine Kürzungen für Kulturanlässe an Schulen genannt wurden. «Es liegt im Ermessen des Stadtrates und des Ressortleiters der Stadt Gossau, wo Massnahmen zu den finanziellen Einsparungen vorgenommen werden können», sagt SVP-Fraktionspräsident Kurt Jau.
«Kein Weltuntergang»
Um reine Polemik handelt es sich nach Ansicht der Mitte. Drei Monate ohne Exkursionen seien nicht wünschenswert, «aber kein Weltuntergang», sagt Fraktionspräsident Andreas Zingg.
«Oder sollen wir jedes Jahr das Budget einfach so genehmigen, weil uns mit der Streichung von Schulaktivitäten gedroht wird?» Als Volksvertreter müsse man die Finanzen im Gleichgewicht behalten.
Fakt ist jedoch, dass genau dieses Gleichgewicht in Gossau offensichtlich nicht mehr gewährleistet ist. Wenn Schulkinder und Lehrpersonen (wieder einmal) ausbaden müssen, was die Politik offensichtlich nicht schafft, umzusetzen, kann von einem Gleichgewicht keine Rede mehr sein. Dann läuft etwas schief. Drohung hin oder her.
(KI-Symbolbild: Canva)
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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