Nicht dass er noch nicht genug Lob und Preis eingeheimst hätte. Der 34-jährige Koch des Jahres, Silvio Germann aus Freidorf, beeindruckt mit seiner Leistung – noch mehr aber mit seinen leisen Tönen.
Mein Ostschweizer des Jahres 2023 ist Silvio Germann. Nicht dass er nicht schon genug Lob und Preis erhalten hätte. Der Chefkoch des Restaurants Mammertsberg im thurgauischen Freidorf ist Schweizer Koch des Jahres 2024 von «Gault Millau» und hat sich im ersten Jahr an seiner neuen Wirkungsstätte sogleich 18 Punkte sowie 2 Michelin- Sterne erkocht.
Das ist bemerkenswert. Doch vor allem sein Wesen und seine Art haben mich nachhaltig beeindruckt. Mit wie viel Bescheidenheit er auftritt, und mit welchem Anspruch der 34-Jährige sein Team in Küche und Service leitet: ein Chrampfer für Spitzenleistungen, bei denen die Mitarbeitenden stets im Vordergrund stehen. Ein Chef auf Augenhöhe – Silvio Germann ist so ungefähr das genaue Gegenteil einer Diva.
«Wahrscheinlich bin ich als Chef zu nett»
Etwas mehr als einen Monat nach seiner Ernennung zum Koch des Jahres treffe ich Silvio Germann in seinem Restaurant zum Kaffee. Während unseres Gesprächs wird der gebürtige Luzerner mit Bürgerort Muolen Sätze sagen wie: «Mein Ziel ist, dass wir dieses Jahr gut überstehen», oder: «Wir können jeden Tag noch besser werden». Und: «Wahrscheinlich bin ich als Chef noch immer zu nett.» Es ist zu spüren, dass dieser junge Koch seinen Erfolg nicht für selbstverständlich nimmt. Er scheint sich auch der Tatsache völlig bewusst zu sein, dass er sich sehr jung an die Spitze katapultiert hat.
Vor seiner Ankunft im «Mammertsberg» im Oktober 2022 zeichnete er für das innovative Sharing-Konzept des «Igniv» im Resort Bad Ragaz verantwortlich. Auf letzteren Posten hatte ihn sein Vorbild, Förderer und ehemaliger Chef Andreas Caminada gehievt. Auch heute profitiert Germann als Caminada-Partner von Infrastruktur und Backoffice der Gruppe. Gerade in finanziellen Belangen sei dies eine enorme Hilfe. «Wir würden sehr schnell Bescheid erhalten, wenn unsere Zahlen aus den Fugen gerieten.» Verantwortlich dafür, dass es aufgeht, ist er trotzdem.
So oft wie möglich selbst am Herd
Als Vorgesetzter gehe es ihm darum, die Stärken seiner Leute zur Geltung zu bringen, sagt Germann. So oft wie möglich steht er selbst am Herd, und das solle auch so bleiben, betont er. Nebst der Tatsache, dass er «nicht so der Pâtissier» sei, koche er alles gern: kalt, warm, Amuse-Bouches, Vorspeisen und Hauptgänge. Zitrusnoten und eine ihm eigene Frische zeichnen seine Küche aus. Pfirsiche, Zwetschgen, Äpfel, Kirschen, Dörrbirnen oder auch Büffelmilch bezieht er von regionalen Produzierenden.
Und was kommt, nachdem man Schweizer Koch des Jahres war? Geht es noch höher? Das Erreichen von 3 Michelin-Sternen oder von 19 Punkten stehe für ihn nicht im Vordergrund. Erst wolle er richtig ankommen im Thurgau und sein Restaurant in der Schweizer Kulinarik etablieren. Nicht alle wüssten, wie schön es am Bodensee und in der Umgebung sei.
Das Schönste an seinem Beruf? «Die Dankbarkeit der Gäste, wenn sie einen hoffentlich unvergesslichen Abend bei uns verbracht haben.»
Odilia Hiller aus St.Gallen war von August 2023 bis Juli 2024 Co-Chefredaktorin von «Die Ostschweiz». Frühere berufliche Stationen: St.Galler Tagblatt, NZZ, Universität St.Gallen.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.