Schönes Signal für den Tourismus im Toggenburg: Die Betreiber des Hotel Hirschen in Wildhaus haben kräftig in die Erneuerung der Gästezimmer investiert. Dabei setzen sie auf ein neuartiges Modell der Finanzierung – und einen Spitzenarchitekten.
3,5 Millionen Franken, 40 Hotelzimmer und Junior Suiten: Das sind die Eckdaten der Gesamtrenovierung, die grösstenteils bis Anfang Juni abgeschlossen sein wird. Was die Gastgeber Simone Müller-Walt und Michael Müller im Hotel Hirschen in Wildhaus umgesetzt haben, ist ein klares Bekenntnis zum Tourismus in Toggenburg. Vor drei Jahren haben sie in sechster Generation den Betrieb übernommen und damals schon klar signalisiert: Sie bleiben nur, wenn sie das Hotel «aufrüsten» können. «Unsere Zimmer müssen unserem hohen Qualitätsempfinden entsprechen», sagt Michael Müller, «und wäre die Komplettrenovation nicht möglich gewesen, hätten wir Ende Jahr aufgehört.»
Druck auf den Markt
Das wird nun nicht nötig sein. Denn die Zimmer – das älteste von ihnen entstand vor 60 Jahren – erstrahlen zum schönen Teil bereits in neuem Glanz, der Rest wird derzeit renoviert. Das Projekt sei Teil der Vorwärtsstrategie, sagt Müller, und diese sehe vor: «Nicht einfach so weitermachen, sondern den Hirschen wieder in eine goldene Zukunft führen.» Die Zimmer stückchenweise leicht zu renovieren, kam für die Betreiber nicht in Frage. Man löse das Problem nicht, wenn man einige Zimmer erneuere und den Rest belasse, so Müller, «man muss Druck auf den Markt erzielen mit einem Topprodukt von A bis Z.»
Dafür sorgen soll der Architekt Andrin Schweizer. Er hat sich über die Schweiz hinaus einen Namen gemacht, und das nicht zuletzt mit Gastro- und Hotelprojekten. Auf ihn setzen meist die ganz grossen Namen der Branche – und nun hat Schweizer Hand angelegt im beschaulichen Wildhaus. Nicht ganz zufällig: Michael Müller und Andrin Schweizer sind in Kreuzlingen im gleichen Quartier aufgewachsen, kennen einander also seit Kindsbeinen. «Wir haben uns 30 Jahre lang nicht gesehen, aber als in einer Strategie-Retraite sein Name fiel, wusste ich, dass wir nicht mehr weiter suchen müssen.»
Modular aufgebaut
Dass Schweizer schon so manches Hotel gestaltet hat, war für die Hirschen-Betreiber ein notwendiges Plus. Man könne zahllose Fehler machen, wenn man ein Hotelzimmer plane, so Michael Müller, von Steckdosen am falschen Ort über ein fehlendes Handtaschenbänklein bis zu einem Wirrwarr an Lichtschaltern.
Eine weitere Herausforderung lag in der Natur des Betriebs. Das Hotel Hirschen ist spezialisiert auf Seminare. An 13 Wochen im Jahr spricht das Hotel aber Ausflugs- und Feriengäste an, ebenso an den Wochenenden. Müller: «Wir müssen also in der Lage sein, dauernd und schnell unterschiedliche Bedürfnisse zu erfüllen.» Die Möblierung muss gleichermassen passen für Gäste, die sich gemütlich zurückziehen wollen wie für solche, die arbeiten müssen.
Hotelzimmer-Leasing
Auch bei der Finanzierung gingen die Betreiber neue Wege. Der Investitionsbedarf war gross und dringend, und es war nicht damit zu rechnen, dass eine Bank über die volle Summe einsteigen würde. Michael und Simone Müller stiessen auf das Unternehmen «Furnirent» in Villach im österreichischen Bundesland Kärnten, die ein in der Schweiz noch fast unbekanntes Modell anbietet. Die Firma finanziert den Umbau zu 50 Prozent. Die restlichen 50 Prozent wurden aufgebracht durch ein Paket der regional ansässigen Hausbank, der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit sowie privatem Kapital.
Die Hotelbetreiber mieten dann ihre Zimmer über mehrere Jahre zurück – eine Art Hotelzimmer-Leasing also. Ein Modell, das in der Schweiz bisher nur ein einziger Betrieb angewendet hat, in der Ostschweiz ist der Hirschen damit Pionier. Die lokalen Betriebe kommen allerdings auch auf ihre Kosten: Sie konnten die umfangreichen Arbeiten innerhalb der Wände – Strom, Wasser und so weiter – in einem hohen sechsstelligen Bereich ausführen.
Was das Design angeht, hat sich die sechste Generation des Hotel Hirschen entschieden, den alpinen Charakter zurück ins Haus zu holen. «Aber zeitlos, also dezent und zurückhaltend, ganz so, wie wir Toggenburger selbst auch sind», sagt Michael Müller schmunzelnd. Gesetzt hat man auf natürliche Materialien. Das Resultat nennt er im Unterschied zum oft eher kitschigen «Alpenchique» kurzerhand «Alpsteinchique».
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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