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Finanzielle Nachhaltigkeit der AHV

Die SP und ihre Fata Morgana von den reichen AHV-Beitragszahlern

Etwas geht nicht auf bei dem, was die SP über die AHV-Finanzierung behauptet, findet unser Autor Thomas Baumann. Und rechnet nach.

Thomas Baumann am 28. Januar 2024

In einem Gastbeitrag in den Tamedia-Zeitungen behauptete SP-Co-Parteipräsidentin Mattea Meyer: «[Die AHV] ist für 92 Prozent der Erwerbstätigen die beste Altersvorsorge: Wegen der solidarischen Finanzierung zahlen sie weniger ein, als sie ausbezahlt bekommen.»

Die Medienstelle der Partei bestätigt diese Aussage auf Nachfrage: «92 Prozent der Menschen in der Schweiz erhalten heute mit der AHV-Rente mehr Geld zurück, als sie in ihrem Leben je an AHV-Beiträgen eingezahlt haben; bei den übrigen 8 Prozent ist es genau umgekehrt. Möglich ist dies, weil Topverdienende und Begüterte bedeutend mehr in die AHV einzahlen müssen als alle anderen.» Die AHV stehe «für eine gerechte, solidarische Umverteilung: Wer die AHV am wenigsten braucht, zahlt am meisten dafür ein – und umgekehrt.»

Weiter betont die Medienstelle, dass ein Teil dieser Umverteilung über die direkte Bundessteuer stattfinde. Als Quelle für die Zahlen wird auf einen Beitrag des Bundesamts für Sozialversicherungen verwiesen.

Geht die Rechnung auf: Finanzieren 8 Prozent Gutverdiener tatsächlich die Rente der übrigen 92 Prozent? Dies soll im Folgenden nachgeprüft werden.

Basis-Szenario

Ohne Berücksichtigung von Bundesbeiträgen und einer allfälligen Verzinsung sieht das Verhältnis zwischen eingezahlten Beiträgen während einer Erwerbsdauer von 44 Jahren (Rentenskala 44) und erhaltenen Renten für eine Einzelperson bei einer durchschnittlichen Restlebenserwartung von 21,2 Jahren im Alter von 65 Jahren derzeit folgendermassen aus:

Grafik 1

(Grafik: Thomas Baumann)

Die Differenz zwischen Rentensumme und eingezahlten Beiträgen beträgt, ungeachtet der Rentenhöhe, bis zum Plafond für eine Maximalrente (am rechten Rand in der Grafik) jeweils rund 300'000 Franken, wie auch die folgende Grafik zeigt:

Grafik 2

(Grafik: Thomas Baumann)

Dabei erhalten nicht die tiefsten Rentenklassen das höchste «Zubrot»: Das Maximum liegt vielmehr bei einer Einzelrente von derzeit 1862 Franken. Der Knick bei den tiefen Einkommen rührt daher, dass ein Durchschnittseinkommen bis zu 14'700 Franken in jedem Fall eine Minimalrente ergibt. Dessen ungeachtet erhalten Personen mit einer tiefen Rente in absoluten Frankenbeträgen weniger «Bonus» als Personen mit einer Rente im oberen Bereich der Rentenskala. Ehepaare erhalten im Durchschnitt wie Einzelpersonen ebenfalls rund 300'000 Franken pro Person mehr als sie in die AHV einzahlen.

Erweiterungen des Basis-Szenarios

Das Basisszenario berücksichtigt keine Verzinsung: Die AHV wird bekanntlich nach dem Umlageverfahren finanziert. Aus individueller Sicht scheint eine Berechnung ohne Zins aber nicht korrekt, denn würden die AHV-Beiträge privat gespart, würden sie selbstverständlich Zinsen tragen.

Verzinst man die eingezahlten Beiträge kalkulatorisch mit der Rendite von Bundesobligationen gemäss historischen Zeitreihen der Schweizerischen Nationalbank und unterstellt im Lebensverlauf moderat steigenden Einkommen, so reduziert sich die Differenz zwischen Rentensumme und eingezahlten (und fiktiv verzinsten) AHV-Beiträgen auf durchschnittlich rund 200'000 Franken.

Berücksichtigt man zusätzlich die Bundesbeiträge an die AHV und verringert die Rentensumme um den Betrag der Bundesbeiträge, so reduziert sich die Differenz zwischen Rentensumme und AHV-Beiträgen um weitere rund 100'000 Franken. Da das Steuersystem auf Bundesebene eine Mischung aus progressiven und degressiven Steuern ist, sind eventuelle Verteilungswirkungen durch das Steuersystem nicht eindeutig festzumachen und werden hier nicht berücksichtigt.

Es fehlen die reichen Beitragszahler

Je nach Berechnungsweise übersteigt die Rentensumme bei einem durchschnittlichen Versicherten die geleisteten Beiträge um 100'000-300'000 Franken. Reichen die AHV-Beiträge der 8 Prozent Nettozahler mit dem grössten Einkommen tatsächlich aus, um diesen «Fehlbetrag» der übrigen 92 Prozent auszugleichen?

Ein Nettozahler muss in diesem Fall mit seinen Beiträgen nicht nur seine eigene AHV-Maximalrente von über 600'000 Franken finanzieren, sondern auch die Finanzierungslücke von 11 anderen Beitragszahlern stopfen.

Selbst bei einem tief geschätzten «Fehlbetrag» von 100'000 Franken pro Kopf bei den «Normalverdienern» müsste jeder Nettozahler in seinem Leben rund 1,75 Millionen Franken AHV-Beiträge leisten: 623'000 Franken für die eigene Rente plus 1,1 Millionen für die übrigen elf von ihm mitgetragenen Versicherten. Dafür bedarf es eines durchschnittlichen jährlichen AHV-pflichtigen Einkommens von fast einer halben Million Franken.

Die Statistik der direkten Bundessteuer zeigt jedoch: Nur das oberste Prozent der Steuerpflichtigen erzielt im Durchschnitt ein solches Einkommen – und nicht, wie erforderlich wäre, die obersten acht Prozent. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass bei Weitem nicht jedes Einkommen AHV-pflichtig ist. Das reichste Prozent vermag also bestenfalls gerade einmal die Rente von weiteren 11 Prozent der Versicherten mitzufinanzieren.

Die Zeche bezahlen die zukünftigen Generationen

Etwas besser sieht es aus, wenn man stattdessen auf die obersten drei Prozent der Steuerpflichtigen abstellt. Diese erzielen ein jährliches Durchschnittseinkommen von 300'000 Franken. Ein derartiges Einkommen erlaubt es, die AHV-Rechnung von fünf weiteren Versicherten ausgeglichen zu gestalten: Insgesamt zahlen diese drei Prozent somit die Rente von maximal fünfzehn Prozent der Versicherten mit.

Doch auch diese 15 Prozent liegen noch weit von den geforderten 92 Prozent entfernt. Berücksichtigt man noch tiefere Einkommensklassen, verbessert sich die Rechnung kaum mehr. Die obersten acht Prozent der Einkommenspyramide schaffen es mit ihren Beiträgen bestenfalls, die Rente von weiteren knapp zwanzig Prozent der Rentner zu finanzieren.

Was die von der SP ebenfalls erwähnten «Begüterten» anbelangt: Wer AHV-Beiträge auf dem Vermögen entrichtet, zahlt selbst bei einem Milliardenvermögen gerade einmal 25'700 Franken im Jahr. Dies entspricht dem AHV-Beitrag auf einem Einkommen von 300'000 Franken. Damit lässt sich keine AHV finanzieren. Zudem werden Vermögen auf Ebene Bund nicht besteuert – entsprechend leisten «Begüterte» auch via Steuern keine Beiträge an die AHV. Hohe Vermögen tragen damit so gut wie gar nichts zur Finanzierung der AHV bei.

Das Resultat ist eindeutig: Die Gutverdienenden, welche gemäss SP zum grossen Teil für die Renten der übrigen Beitragszahler aufkommen sollen – sie fehlen. Die Rechnung wird stattdessen an die zukünftigen Generationen weitergereicht, möglicherweise aufgeschoben durch eine weiterhin steigende Zuwanderung: «Solidarität» nach dem Vogel-Strauss-Prinzip.

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Autor/in
Thomas Baumann

Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.

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