Ein Hostel direkt am Meer, in einem der ärmsten Länder der Welt: Wie passt das zusammen? Joshua Keller möchte seinen Traum erfüllen. Auch wenn er dafür einige Hürden nehmen muss.
Joshua Keller, Sie hatten zu Jugendzeiten einen guten Freund aus Gambia, der in der Schweiz lebte. Wann war für Sie klar, den Schritt zu wagen, und nach Gambia auszuwandern?
Mein Vater hatte damals eine Integrationsmannschaft beim SC Brühl lanciert. Wir spielten zusammen mit verschiedenen Flüchtenden. Unter anderem auch mit Buba, meinem Freund aus Gambia. Als er dann leider nach Gambia zurückgehen musste, machten sich zwei Freunde von mir und ich auf den Weg, ihn zu besuchen. Für mich war dies der Ursprung des Gedankens, da ich mich in das Land und in den «Vibe» verliebte. Damals, bei dieser ersten Reise nach Gambia, kam der Gedanke, hier etwas aufzubauen. Es war natürlich nur mal ein Gedanke, der mich jedoch nicht mehr in Ruhe liess.
Wie ging es weiter?
Tagtäglich dachte ich darüber nach. Ich konnte oftmals nicht einschlafen, da ich in meinen Gedanken schon dort war und einen Plan schmiedete. Als ich vor zweieinhalb Jahren in Mexiko war und auch dort meine Gedanken immer wieder bei meinem Hostelprojekt waren, entschied ich mich, dass ich es versuchen möchte. Schliesslich habe ich nichts zu verlieren. Also setzte ich mich hin und schrieb alles auf.
Das tönt nun alles sehr schön. Sie sagen aber auch, dass Sie nicht nur die schönen Seiten von Gambia kennengelernt haben. Gambia gehört mit zu den ärmsten Ländern der Welt.
Man muss Afrika einmal mit eigenen Augen gesehen haben, um es verstehen zu können. Das Leben ist komplett anders als bei uns.
Wo spiegelt sich das wider?
Unsere Probleme sind im Vergleich zu denen in Gambia nichts. Armut ist ein grosser Faktor in Gambia. Die meisten suchen eine Arbeitsstelle, die jedoch nicht vorhanden ist. Somit muss jeder irgendwie ein bisschen Geld nach Hause bringen, um Essen kaufen zu können. Es geht bei vielen Tag für Tag ums Überleben. Leider gibt es oftmals keine Aussicht auf Besserung. Jedoch ist der Familienzusammenhalt riesig. Obwohl viele kein Geld oder Job haben, muss niemand auf der Strasse leben. Familie oder Freunde helfen einem immer aus, um ein Dach über dem Kopf oder Essen zu haben. Es wird mit jedem geteilt.
Hat Sie das alles nicht abgeschreckt?
Nein, eher motiviert. Ich habe das Gefühl, dass ich dort etwas verändern und vor allem verbessern kann. Ich möchte diesen liebevollen und meist glücklicheren Menschen, als wir sie hier sehen, etwas Gutes tun und Arbeitsplätze erschaffen. Wir haben die Möglichkeit, schon mit verhältnismässig wenig etwas Grosses zu bewirken.
Worin bestehen denn die grossen Herausforderungen?
An meinen Ideen lag es nie. Davon hatte ich immer mehr als genug. Als ich das Projekt in Angriff nahm, dachte ich, dass die grössten Herausforderungen die Geld- und Landbeschaffung sei. Mittlerweile habe ich jedoch die grosse Hürde, an Land zu kommen, bereits überstanden. Den wichtigsten Schritt würde ich deshalb die Bekanntschaft mit einem österreichischen Architektenpaar bezeichnen. Ohne sie wäre ich jetzt nicht hier, wo ich im Moment stehe.
Nichts geht ohne Geld. 50'000 Franken sind nötig, damit sie Ihrem Traum von einem eigenen Hostel direkt am Meer näherkommen. Wie ist Ihre Spendenaktion angelaufen?
Ich bin sehr zufrieden, wie die Aktion am Anfang geteilt wurde. Ich konnte auf viel Support zählen. Aber das alles ist erst der Anfang – es geht weiter. Ich habe noch einige Ideen, um Leute auch für einen kleinen Spendenbetrag anzuregen.
Aber einen Investor haben Sie noch nicht?
Nein. Aber ich bin zu 100 Prozent von meinem Projekt überzeugt. Deshalb werde ich bestimmt bald einen Investor finden. Afrika verfügt über ein riesiges Potential. Natürlich müssen die Leute auch ein «Open Mindset» verfolgen und offen für etwas «Verrücktes» sein.
In Afrika laufen die Uhren anders, das Arbeiten kann mitunter sehr mühsam sein. Wie sehen Sie das?
Genau, das Business und Arbeitsmentalität sind da komplett anders. Dinge werden nicht immer so funktionieren, wie man es plant, oder es geht sicher auch einmal ein bisschen länger als erwartet. Ich muss mich anpassen und einfach geduldig bleiben. Man darf nicht die Nerven verlieren, wenn etwas nicht so klappt wie erwartet. Aber ich bin sehr bereit dafür.
Wie sieht es mit möglichen Mitarbeitenden aus?
Ich muss meinen Mitarbeitenden ein bisschen «Swissness» eintrichtern, damit alles so funktioniert, wie ich mir es vorstelle. Die Afrikaner leben nach einer anderen Uhr als wir. Es ist normal, dass man zwei Stunden zu spät oder auch zu früh kommt. Das ist natürlich sehr ungünstig, wenn man ein gutes Business aufbauen möchte. Ihnen die richtige Arbeitsmoral beizubringen, sehe ich als grosse Herausforderung. Jedoch warten 1000 andere Leute auf einen Job. Falls jemand nicht will, muss er nicht – ein anderer wird sehr froh darum sein.
Wo stehen Sie derzeit mit dem Projekt?
Es ist alles bereit. Ich habe das perfekte Grundstück direkt am Meer gefunden, die Architekten, die Baupläne, die Bau-Crew, den Businessplan. Das Einzige, was jetzt noch fehlt, ist das restliche Geld. Deshalb bin ich froh um jede Spende bei meinem Crowdfunding. Klar, alles werde ich damit nicht stemmen können. Aber ich nehme alles Schritt für Schritt.
Ihre Auswanderung steht im Januar bevor. Sie sagen, der Schritt kam selbst für Sie überraschend.
Vor drei Wochen erhielt ich ein Telefon von dem österreichischen Architektenpaar, das mir erzählte, dass sie unser Projekt verschiedenen Leuten vorgestellt haben. Die Reaktionen waren sehr gut. Jedoch kam die Frage auf, welche Erfahrungen ich mitbringen würde.
Was war die Antwort?
Es war auch meine Sorge, weil ich die wirklich nicht habe. Deshalb kam der Wunsch auf, dass ich schnellstmöglich nach Gambia kommen solle. Die Verantwortlichen haben ein Trainingsprogramm für mich vorbereitet. Ich werde nun in wenigen Wochen fix nach Gambia auswandern, um dort ein Hotel zu übernehmen. Zwei erfahrene Hotelmanager werden mich unterstützen und mir alles beibringen, was ich wissen muss. Im Oktober werde ich schliesslich ein anderes Projekt übernehmen. Auch dort werde ich mit jemandem zusammenarbeiten, um die ganze Erfahrung zu sammeln. Eine bessere Möglichkeit hätte ich mir nicht erträumen können.
Schwingt auch eine gewisse Nervosität mit?
Ich bin selbst noch nicht sicher, was genau auf mich zukommt. Das wird sich alles erst mit der Zeit zeigen. Ich weiss jedoch, dass ich bereit bin und Lust darauf habe. Ich freue mich jetzt auf die Zukunft – und alle neuen Aufgaben, die damit verbunden sind.
(Bild: pd)
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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