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Nach Eröffnung Flüchtlingsheim in Rehetobel

Es ist ruhig in der Asylunterkunft in Rehetobel, trotzdem sagt Gemeindepräsident: «Es ist ein hoher Preis, den wir zahlen müssen»

Ende des vergangenen Jahres haben sich in Rehetobel die Ereignisse überschlagen. Innerhalb weniger Wochen hat der Bund 70 Asylbewerber in einem ehemaligen Altersheim untergebracht. Die Kommunikation sei nicht optimal verlaufen, sagt der Gemeindepräsident.

Manuela Bruhin am 09. Februar 2024

Kleine Kinder, die dankbar sind, in einem Haus aufwachsen zu dürfen – und nicht in einem kalten Luftschutzbunker. Grössere Kinder, die es geniessen, in der benachbarten Gemeinde Heiden die Schule zu besuchen. Und Eltern, die ruhig schlafen können, eben weil sie ihre Familie in Sicherheit wissen.

All das nimmt Gemeindepräsident Urs Rohner wohlwollend zur Kenntnis. Umso mehr auch im Hinblick darauf, welch schwierige Wochen hinter der Gemeinde liegen. «Die Medien haben das Thema unnötig hochgeschaukelt. Das Resultat war eine teils grosse Verunsicherung bei der Bevölkerung», sagt er im Gespräch.

Er räumt jedoch auch Fehler bei der Kommunikation ein. «Aus jetziger Sicht hätten wir mehr Zeit zwischen der Ankündigung und der Inbetriebnahme der Asylunterkunft verstreichen lassen müssen. Die Bevölkerung hätte mehr Zeit gebraucht, um entsprechende Informationen zu erhalten.»

Ukrainer aufgenommen

Rückblick: Ende November 2023 wurde bekannt, dass das ehemalige Altersheim in Rehetobel 70 Asylsuchende aufnehmen wird. Die Liegenschaft «Haus Ob dem Holz» ist in Privatbesitz, das Staatssekretariat für Migration (SEM) des Bundes war auf der Suche nach zusätzlichen temporären Unterkünften für Asylsuchende.

Bereits nach Kriegsausbruch fanden hier vor zwei Jahren ukrainische Flüchtlinge Unterschlupf und wurden damals von der Bevölkerung in Rehetobel herzlich aufgenommen. «Deshalb war es auf den ersten Blick nicht ersichtlich, dass es in diesem Fall anders aussehen würde», sagt Rohner weiter.

Zu wenig Zeit

Doch es sollte anders kommen. Bereits drei Wochen nach der Ankündigung zogen die ersten Asylbewerber ins Haus. Eigentlich erscheint in Rehetobel jeweils Ende des Monats das amtliche Mitteilungsblatt – nicht jedoch im November. Die Ausgabe wird jeweils auf Mitte Dezember verschoben. Die öffentliche Veranstaltung wurde demnach am 15. Dezember abgehalten – drei Tage, bevor die ersten Flüchtlinge in Rehetobel ankamen.

«Das hat doch einige verunsichert», gibt Rohner zu. Die Reaktion sei verständlich. Rückblickend würde er nun mehr Zeit seitens des SEM verlangen, um über das Vorhaben informieren und etwaige Zweifel beseitigen zu können. Denn in Gesprächen seien viele davon aus dem Weg geräumt worden. Beispielsweise deshalb, weil von den 70 zugeteilten Personen 40 Kinder sind.

Vermehrt Familien sind untergebracht

«Der Betrieb ist sehr ruhig angelaufen», blickt Rohner auf die vergangenen Wochen zurück. Angesichts des Wetters halten sich die Familien vorwiegend im Innern des Hauses auf. Nachmittags treffe man manchmal jemanden, der im Volg einkaufen gehe. Securitas-Mitarbeiter sorgen für zusätzliche Sicherheit.

Die Schule besuchen die Kinder im benachbarten Heiden. Dort sind zwei zusätzliche Klassenräume zur Verfügung gestellt. «Angesichts der Tatsache, wie viele Kinder hier nun eine vorübergehende Bleibe finden, wäre es doch beschämend, sie in einem Luftschutzbunker unterzubringen», so Rohner.

Kritischer Blick

Wöchentlich erhält er nun die Informationen und Zahlen von der Asylunterkunft. Eigens dafür wurde eine Begleitgruppe gebildet. Die Mitglieder verfügen über einen politischen, kirchlichen oder sozialen Hintergrund. «Es sind Leute darunter, die auch kritisch hinschauen», so Rohner. Die Informationen dienen dazu, die Bevölkerung über den Betrieb aufklären zu können – möglichst transparent.

Und dies scheint auch nötig. Denn so reibungslos, wie der Betrieb angelaufen ist, hat er doch einschneidende Folgen für die Gemeinde. Einerseits wurde Ende des Jahres eine Petition eingereicht, in welcher die Unterzeichnenden eine beschränkte Anzahl Personen sowie mehr Mitsprache fordern.

Rücktritt von  Gemeinderat Remo Kästli

Zudem hat Gemeinderat Remo Kästli Bucher vor wenigen Tagen seinen Rücktritt bekannt gegeben. Der Entscheid, nach acht Jahren sein Amt niederzulegen, sei ihm nicht leicht gefallen, hält er in einem Schreiben fest, das im Mitteilungsblatt publiziert wurde. Zwei Faktoren hätten ihn jedoch dazu bewogen. Die Ablehnung des Voranschlags 2024 sieht er als ein grundsätzliches Misstrauen in den Gemeinderat und dessen strategische Arbeit.

«Mit der scheinbar harmlosen Petition zum Asylzentrum werden die flüchtenden Menschen in unserem Dorf stigmatisiert und primär als Bedrohung für unsere Bevölkerung wahrgenommen», schreibt Kästli Bucher weiter. «Dies, bevor die Menschen überhaupt angekommen und die Auswirkungen auf unser Dorf evaluiert sind. Diese Haltung widerspricht diametral meiner Weltanschauung und hat mich schwer enttäuscht.»

Das Dorf habe er bisher als progressiv wahrgenommen, mit einer humanitären Grundhaltung. «Anstatt mit Respekt diesen flüchtenden Menschen zu begegnen und dankbar zu sein, dass wir selbst nicht in einer solch misslichen Situation sind, werden die Menschen abgelehnt.» Die Ereignisse der letzten Monate würden es ihm verunmöglichen, sich weiterhin in solch hohem Masse für Rehetobel und die Einwohnenden zu engagieren.

Hofft auf den Sommer

«Der Rücktritt von Remo Kästli Bucher ist ein hoher Preis, den wir zahlen müssen», bedauert Rohner. Ohnehin sei man personell im Gemeinderat bereits unterbesetzt – statt sieben Mitglieder könne man derzeit auf nur fünf zurückgreifen. Er hofft nun, dass das Amt im Sommer immerhin neu besetzt werden könne.

Bis dahin hält sich Rohner an den positiven Entwicklungen fest. Wie beispielsweise die Erinnerungen an die Tage vor Weihnachten, als Einwohner Geschenke an die Flüchtlinge verteilten. Oder die Besuche in der Unterkunft, welche die grosse Freude der Kinder verdeutlichten.

(Bild: Appenzellerlinks.ch)

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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