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Sojabohnen vom Seerücken

Fade, genmanipuliert und umweltschädlich: Dieser Tofu-Produzent aus Muolen trotzt den gängigsten Vorurteilen

Witze über Tofu sind geschmacklos. Ist Tofu also wirklich das «Besserfleisch»? Seit drei Jahren produziert Lukas Rösch in Muolen das Sojaprodukt. Im Interview mit «Die Ostschweiz» stellt er sich den gängigsten Vorurteilen.

Manuela Bruhin am 25. Februar 2024

Lukas Rösch, Sie haben sich mit Tofu nicht gerade das «einfachste» Lebensmittel ausgesucht. Darf ich Sie mit einigen Vorurteilen konfrontieren, die sich hartnäckig halten?

Natürlich.

Sehr gut. Fangen wir hiermit an: Für die Tofuproduktion wird Regenwald abgeholzt.

Das Bild ist immer noch sehr verankert in vielen Köpfen. Fakt ist jedoch, dass die im Regenwald angebauten Sojabohnen hauptsächlich als Nahrungsmittel für Tiere verwendet werden. Für die Herstellung von Lebensmitteln auf der Basis von Soja werden weniger als zwei Prozent Soja verwendet. Bei uns spielt das Thema jedoch eine sehr untergeordnete Rolle, weil wir auf regionale Sojabohnen setzen – wir wissen also, woher sie stammen. Und zwar in unserem Fall aus dem Kanton Thurgau.

Vorurteil Nummer zwei: Tofu ist genmanipuliert.

Dieses Vorurteil rührt ebenfalls davon, weil in den Gebieten, wo viele Flächen abgeholzt werden, um Soja anzubauen, sogenannte Monokulturen wachsen. Dafür wiederum werden Pestizide verwendet. Die Sojabohne wird gentechnisch verändert, um sie widerstandsfähiger zu machen. All das hat jedoch nichts mit unserem Rohstoff zu tun, weil unsere Bohnen wie gesagt regional sind. Ohnehin wären diese Bohnen in der Schweiz verboten.

Tofu soll Männer «verweiblichen» - aufgrund der erhöhten Hormone, die darin stecken.

Soja enthält von Natur aus hormonähnliche Isoflavone, also pflanzliche Hormone. Ein Mensch kann jedoch durch eine ausgewogene Ernährung und einen moderaten Sojakonsum unmöglich «zu viel» solcher Phytoöstrogenen aufnehmen. Von daher ist das Vorurteil völlig unbegründet.

Tofu ist fad und «gummig».

Tofu hat wahrhaftig eine sehr feine Note. «Geschulte» Zungen können natürlich einen Geschmack herauskristallisieren. Wir nutzen diesen vermeintlichen «Nachteil» jedoch als klaren Vorteil. Denn: Tofu lässt sich mit verschiedenen anderen Geschmacksnoten kombinieren. Unser Tofu hat eine dezente, angenehme Bohnennote. In der westlichen Hemisphäre sind diese aber nicht zu dominant erwünscht. Auch auf die Konsistenz legen wir sehr grossen Wert. In der Tat haben einige Tofusorten eine gummiartige Konsistenz – ähnlich einer Schuhsohle. In unser Produkt jedoch beissen auch Fleischtiger gerne rein. Das hat mit gummig gar nichts zu tun.

Bei so vielen Vorurteilen, die sich bereits seit vielen Jahren rund um den Tofu wanken, Hand aufs Herz: Sind sie auch einmal müde, immer wieder dagegen anzukämpfen?

(Lacht) Eine gute Frage. Aber nein, wir fühlen uns sehr wohl in unserem Umfeld. Im ländlichen Muolen sind wir umgeben von der Landwirtschaft, und wir sehen Tofu auch, beispielsweise an Messen, neben Käse und Fleisch im Regal. In gewisser Hinsicht suchen wir die Widersprüche.

Weshalb?

Wir als Exoten «triggern» in manchen Fällen. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, unser Produkt immer wieder zu erklären und Vorurteile aus dem Weg zu schaffen. Das braucht Ausdauer. Aber wenn wir das nicht hätten, dann hätten wir in gewisser Weise auch keine Daseinsberechtigung.

War das vor drei Jahren ein Grund, auf Tofu zu setzen?

Damals machte meine ehemalige Mitgründerin die ersten Erfahrungen in der Küche mit Tofu. Es war kein Produkt, welches das breite Publikum begeisterte. Es rankten sich viele Vorurteile darum, und ich fand, es gibt noch sehr viel Luft nach oben. Aus Überzeugung heraus entwickelten wir das Produkt weiter – und tauchten in die Welt ein: manchmal eine Art vegane «Food Bubble».

Sind Sie selber Veganer oder essen Sie Fleisch?

Ich esse sehr wenig Fleisch, ernähre mich meist vegan. Und genau das soll auch unser Anliegen widerspiegeln: Es muss nicht immer schwarz oder weiss sein. Es ist durchaus möglich, sich heute ein Schnitzel zu kochen und morgen Tofu zu essen. Viel wichtiger ist, dass man sein Verhalten reflektiert.

Sie wollen, dass auch «Fleischtiger» Tofu essen. Eine grosse Herausforderung.

In unserem angepassten Slogan – von «Der Schweizer Tofu mit Geschmack» wurde nun «Der Schweizer Tofu» - steckt bewusst auch eine gewisse Art von Provokation. Wir wollen den Tofu salonfähig machen. Signalisieren, dass es ein normales Lebensmittel ist – für Veganer, aber auch für Fleischesser. Es wird doch erst zum Problem, wenn man sich entscheiden muss: entweder, oder. In das Thema sollte vermehrt eine gewisse Normalität einkehren. Für uns steht ganz klar der Genuss im Vordergrund. Wir wollen nicht mit erhobenem Zeigefinger unterwegs sein.

Nach rund zweieinhalb Jahren ist der Tofu aus Thurgauer Biosoja neu im Kühlregal der Migros zu finden. Was bedeutet dieser Schritt für Sie?

Es ist ein stetiger Prozess des Wachstums. Am Anfang belieferten wir kleine Lädeli sowie einige Restaurants. Nachher kam der Biofachhandel dazu, nun erfolgt mit der Migros der Grosshandel. Da steckt sehr viel Arbeit dahinter – auch deshalb, weil wir eigenfinanziert sind. Es gibt also keine «schnelle Geldspritze». Bei uns wird jeder Franken zweimal umgedreht. Zu Beginn waren wir zwei Mitarbeitende, jetzt sind wir 14. Die Teamleistung hat zum Setup geführt, und wir erreichen nun über den Grosshandel ganz unterschiedliche Zielgruppen.

Sie haben die Produktion mit einigen Kilos Tofu angefangen, jetzt sind es mehrere Tonnen. Welche Herausforderungen bringt das mit sich?

Die Befürchtung war: Je grösser die Produktion ist, desto schlechter wird die Qualität. Deshalb legen wir ein grosses Augenmerk darauf. Tofuproduzenten gibt es in der Schweiz nicht sehr viele, vielleicht eine Handvoll. Und dieser Austausch untereinander ist alles andere als rege, jeder möchte seine Methode lieber für sich behalten. Das heisst im Umkehrfall: Man muss sich viel Wissen selber aneignen. Und dazu kommt die Finanzierung – alles muss irgendwie gehen, ohne dafür Millionen investieren zu müssen.

Sie haben gesagt, dass Ihnen Nachhaltigkeit sehr am Herzen liegt. Was heisst das in Bezug auf Ihre Lieferkette und die Beschaffung von Sojabohnen?

Diese stammen vom Seerücken, wir stehen im engen Kontakt mit der Landwirtschaft. Wir haben uns von Anfang an zum Ziel gesetzt, die regionalen Anbieter involvieren zu wollen. Der Wirtschaftszweig wächst, davon sind wir überzeugt. Bittersalz als Zusatzstoff im Tofu stammt nicht aus der Region, davon ist jedoch sehr wenig enthalten. Auch bei der Marinade setzen wir auf Schweizer Produzenten.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft Ihrer Tofuproduktion? Gibt es neue Produkte oder Technologien, an denen Sie arbeiten?

Die Marinade bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie sich der Tofu entwickeln kann. Da ist die Herausforderung, sich nicht zu verzetteln. Daneben gibt es noch viele weitere Lebensmittel, die auf der Basis von Soja entstehen. Wir bleiben auf jeden Fall dran.

Haben Sie vielleicht ein Tofurezept, das auch kritische Leserinnen und Leser überzeugen könnte?

Ich arbeite in der Küche gerne mit Nature-Tofu. Gerade in Desserts kann man vieles damit erreichen – beispielsweise schmeckt ein veganer Cheesecake sehr gut.

(Bild: PD)

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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