Feminismus verbinde ich stets mit Negativem. Weshalb? Kann ich nicht genau sagen. Und doch wähle ich als meine Ostschweizerin des Jahres bewusst eine Frau – stellvertretend für viele andere, die sich engagieren. Wie die Fussballerin Larina Baumann.
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich habe keine grosse Ahnung vom Fussball. Nun bekomme ich aber vieles über den Sport gezwungenermassen mit – mit drei Jungs im Haushalt, die alles für ein Trikot (natürlich original! Gleich nach dem Spiel! Und bitte mit dem Schweiss von Zigi, Witzig oder Muntwiler! Wäks!) geben würden, liegt das wohl auf der Hand.
Als ich kürzlich die Verantwortlichen der Frauen des FCSG traf und ein Interview mit Larina Baumann führte, habe ich im Gespräch oftmals grosse Augen gemacht. Das Herzblut, das die Verantwortlichen wie auch die Spielerinnen Tag für Tag geben, ist bemerkenswert. Einige Anekdoten haben mich staunen lassen. Und das nicht im positiven Sinn. Weil sie nämlich einfach in keinem Verhältnis stehen, wie die Männer im Fussball gehypt werden.
Nennen Sie mal einen Namen
Zum Vergleich: Betreten bei einem FCSG- Spiel Görtler und Co. den Rasen, ist der Fangesang gross. So muss sich wohl ein Superstar fühlen. Aber wie ist es bei den Frauen? Können Sie überhaupt ein, zwei Namen der Spielerinnen des Vereins nennen? Nein? Dann befinden Sie sich wohl in guter Gesellschaft. Larina Baumann wurde zwar zur Fussballerin des Jahres gewählt. Googelt man jedoch ihren Namen, stösst man auf erstaunlich wenige News-Beiträge. Was irgendwie einfach selbsterklärend ist.
«Nebenbei» Fussballstar
Selbstverständlich arbeitet bei den Männern keiner nebenbei – weil ihr Gehalt gut reicht, um über die Runden zu kommen. Bei Superstars wie Messi und Co. wollen wir mal gar nicht anfangen. Anders bei den Frauen: Ein Interviewtermin mit Larina Baumann ist bitte auf die Mittagszeit zu legen, weil sie nebenbei studiert – wie ihre Kolleginnen, sei es in der Kantine, im Büro oder im Geschäft. Und fast jeden Abend dennoch auf dem Platz stehen, um «nebenbei» zu trainieren. Das Wochenende geht ebenfalls für den Sport drauf.
Steht ein weiter entferntes Auswärtsspiel auf dem Plan, reisen die Frauen zwar auch mit dem Car an. Auf eine Übernachtung, wie es bei den Männern üblich ist, wenn die Anfahrt einige Stunden dauert, wird jedoch verzichtet. Kommt die Mannschaft in den Stau oder passiert sonst etwas Unvorhersehbares, tja, dann sind starke Nerven gefragt. So passiert bei einem Heimmatch der Frauen des FCSG, als die gegnerische Mannschaft eine halbe Stunde vor Anpfiff noch immer unterwegs war. Die Fussballerinnen mussten sich im Car umziehen und schafften es kurz vor Spielbeginn auf den Rasen.
Ich könnte noch einige Beispiele mehr nennen, die die Thematik verdeutlichen, was aber den Rahmen sprengen würde. Würde ein Mann überhaupt unter diesen Voraussetzungen auf den Platz treten? Ich denke nicht. Larina Baumann ist zurückhaltend, hält die Mannschaft zusammen und gibt ihr Bestes – so, wie es viele Frauen täglich tun. Aber eben doch häufig im Schatten vieler Männer stehen.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.