Ihm folgen mittlerweile über 337000 Menschen auf Instagram, seine Bilder werden überall auf der Welt geteilt und geliked. Fabio Zingg ist durch die sozialen Medien gross geworden – und dennoch verbindet ihn an manchen Tagen eine Art Hass-Liebe.
Die Klippen der Färöer. Flamingos in der Atacama-Wüste. Religiöse Stätten in Mexiko. Fabio Zingg hatte schon so manches atemberaubende Sujet vor seiner Kameralinse. Kein Wunder, folgen dem Thurgauer mittlerweile über 300'000 Menschen auf Instagram. «Damit könnte man viermal das grösste Fussballstadion der Welt füllen. Das ist schon krass», sagt er im Gespräch. «Irgendwie bin ich da hereingewachsen. Manchmal ist man sich dessen gar nicht mehr so bewusst.»
Der Schäfler
Und doch nehmen Influencer durch ihre Reichweite eine immer grössere Vorbildfunktion ein. Das zeigt sich dann, wenn bis dahin unbekannte Orte nach dem Post vom Massentourismus überrannt werden. Es war das Jahr 2017, als Fabio Zingg den Schäfler im Alpstein ablichtete. Er wählte eine Route, die vorgängig kaum jemand kannte. Die Folge: «Viele deutsche Follower wollten wissen, wo sich dieser Ort befindet», erinnert Zingg sich. Grundsätzlich wäre das noch kein Problem. Doch das Benehmen mancher Leute lässt eben arg zu wünschen übrig. Sie nehmen wenig Rücksicht auf die Menschen vor Ort, die Landschaft- und Tierwelt. Inzwischen machen immer mehr Touristendestinationen ihrem Ärger Luft, wenn schöne Orte nach entsprechenden Posts zugemüllt werden.
Sorgfältig abschätzen
Darauf hat Fabio Zingg inzwischen reagiert und gibt bei seinen Posts häufig keine genauen Koordinaten an. Dennoch befindet er sich damit in einem Zwiespalt. Er ist schliesslich kein reiner Influencer, sondern auch als Fotograf unterwegs, wird beispielsweise von Touristenbüros für Fotostrecken gebucht. «Deshalb muss man sorgfältig abschätzen, was man postet und wie viel man preisgibt. Die Erfahrung lehrt einen jedoch, damit umzugehen.»
Was aber offensichtlich nicht bei allen Touristen der Fall ist. Im Wallis beispielsweise will die Touristendestination keine alpinen Hochtouren über 3000 Meter mehr promoten – weil es immer wieder zu Unfällen kommt. «Wir sind dann häufig im Bereich zwischen 2'000 und 3'000 Metern unterwegs», sagt Zingg.
Nicht immer spannend
Je mehr Leute dem Thurgauer folgen, desto grösser wird auch der Druck, abzuliefern. «Die eigenen Präferenzen steigen», sagt er. Bei Instagram sei es nötig, täglichen Content zu liefern. «Doch bei mir ist es wie bei anderen Leuten auch – nicht jede Woche ist gleich spannend», sagt er. Deshalb vergleicht er Instagram auch mit einer Art Hass-Liebe. Der Druck, ständig präsent zu sein, sei eben nicht von der Hand zu weisen. Der Markt sei übersättigt, die Preise für Werbeaufträge werden deshalb gedrückt. Influencer zu sein, bedeute nicht, einfach gelegentlich ein Foto zu posten und damit einen Haufen Geld zu verdienen. Zingg kennt inzwischen einige, die wieder in ihren alten Beruf zurückgekehrt sind – und den sozialen Medien den Rücken gekehrt hätten.
«Es braucht einen Haufen Selbstdisziplin, damit man erfolgreich sein kann», sagt er. Bis zu 500 Bilder können es täglich sein, die er macht – um am Schluss eines davon zu verwenden. Sind Werbeaufträge gebucht, erfolgen diverse Mails, Anweisungen und Bürokratie. Deshalb ist er froh, mit der Fotografie ein inzwischen immer wichtigeres zweites Standbein zu haben. Mit den «Alpinisten», einem Kollektiv aus elf Freunden, pushe man sich gegenseitig und bringt bereits das zweite Wanderbuch «Lost in the Alps 2» heraus.
Traumberuf Influencer?
Als er 2015 mit seinem iPhone die ersten Fotostrecken ablichtete, dachte er nicht im Traum daran, einmal Influencer zu werden. Der 23-Jährige lehrte bei einer Bank, legte Wert auf Sicherheit. Vor fünf Jahren wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit. Und seine Eltern? Wie begeistert waren sie, als er seinen Richtungswechsel bekannt gab? «Anfangs haben sie natürlich eher gezweifelt», sagt er und lacht. «Mittlerweile sehen sie jedoch, was dahintersteckt und sind stolz, wenn ihr Sohn es ab und zu in die Zeitung schafft.»
Durch seine Präsenz gibt es auch immer wieder schöne Momente. Wie in etwa dann, als er hoch oben im Gebirge unterwegs war und das Interesse einer Frau erregte. «Sie sprach uns an, was wir machen würden und ich zeigte ihr daraufhin meine Fotos sowie mein Profil», erinnert sich Zingg. Anschliessend stellte sich heraus, dass sie ihm bereits seit über drei Jahren auf Instagram folgte und er ihr «Lieblingsfotograf» sei.
Ein «Lieblingsfotograf» zu sein, die schönsten Orte der Welt ablichten zu dürfen – das alles ist für Fabio Zingg ein grosses Privileg, schlicht ein Traumjob. Dennoch sieht er längst nicht alles nur durch die Linse. «Wenn ich beispielsweise in den Alpen unterwegs bin, versuche ich, auch gleich dort zu übernachten. Somit gibt es genügend Gelegenheiten, die Natur ganz bewusst wahrzunehmen. Und auch nach all den Jahren kann ich mich daran nicht satt sehen – sondern möchte im Gegenteil noch viele schöne Orte der Welt sehen.»
Bilder: Fabio Zingg
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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