Sie wühlen gerne im Boden, ackern ganze Wiesen um und sind nur schwer jagdbar: Wildschweine. Insbesondere im Kanton Aargau häufen sich die Schadensmeldungen. Hierzulande ist genau das Gegenteil der Fall: Weit und breit ist fast keine Sau in Sicht.
Angesprochen auf die Wildscheinpopulation im Kanton St.Gallen, lacht Wildhüter Mirko Calderara herzlich. «Ich habe fast keine Sau gesehen», sagt er im Gespräch. Zufälligerweise habe er vor wenigen Tagen als Jäger eine erlegen können – doch auch hier bestätigt die Regel die Ausnahme. Denn: Wo noch vor etwa fünf Jahren Wildschweine für etliche Schadensmeldungen sorgten, hat der Wildhüter in dieser Hinsicht fast nichts mehr zu tun. Selbst im St.Galler Rheintal, wo das Nahrungsangebot für die Tiere eigentlich paradiesisch wäre, gibt es nur noch vereinzelt Tiere.
Unterdurchschnittlich
Doch wo sind sie denn hin, die Wildschweine? Weitergezogen in den Kanton Thurgau? Fressen sie nun quasi über den Zaun? Doch auch hier: Fehlanzeige. Die Abschusszahlen seien in diesem Jahr fast 20 Prozent tiefer als im letzten Jahr. «Und bereits 2022 lagen die Bestände unter dem langjährigen Durchschnitt», sagt der Amtsleiter der Jagd- und Fischereiverwaltung, Roman Kistler. 628 Tiere wurden im Jahr 2022 erlegt, aktuell liegt die Zahl bei 320 – die Jagdsaison dauert noch an. Zum Vergleich: 2021 gab es besonders viele Wildschweine im Kanton Thurgau. «Damals wurden 1029 erlegt», so Kistler weiter.
Weshalb gibt es also seit fast zwei Jahren deutlich weniger Wildschweine? Erklärungen dafür seien schwierig zu finden. «Gut möglich, dass die verminderte Eichel- und Buchenmast dabei eine Rolle spielt», sagt Kistler. Das Nahrungsangebot war für die Wildschweine also nicht ideal. Und wohl auch der trockene Boden verleitete sie weniger zum Wühlen wie in anderen Jahren.
Notwendige Schulung
Fakt ist: Wildscheine sind schwierig zu bejagen. Deshalb werden in vielen Kantonen Sonderbewilligungen erteilt, damit Nachtsichtgeräte eingesetzt werden können. So beispielsweise im Kanton Thurgau und im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Immer dann, wenn verhältnismässig viele Schadenmeldungen durch Wildschweine eingehen, können sie verfügt werden. «Die Leute müssen entsprechend geschult werden und haben einen Fähigkeitsausweis», sagt Abteilungsleiter Natur und Wildtiere des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Andres Scholl.
Meist gelingen aber nur eine Handvoll Abschüsse im Jahr. Laut Scholl ist dies nicht als Jagd zu verstehen, sondern vielmehr als Vergrämung. Gerade in den Gemeinden Gais oder Reute gäbe es vereinzelt Schadensmeldungen durch Wildscheine. «Ansonsten gibt es in unserem Kanton nicht viele Tiere, weil das Nahrungsangebot durch den Ackerbau fehlt.»
Wie geht es weiter?
Ob sich die Tiere einfach zurückgezogen haben, oder ob es wirklich weniger gibt – darüber kann nur spekuliert werden. Was aber auf der Hand liegt: Im nächsten Jahr kann schon wieder alles anders aussehen, so Roman Kistler. «Wir wissen, dass die Population bei den Wildschweinen sehr schnell ansteigen kann. Auf ein populationsreiches Jahr folgen meist ein bis zwei Jahre, in welchen weniger Wildschweine gesichtet und erlegt werden.»
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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