In Heiden entsteht ein sogenanntes «Outdoor Boutique Hotel». Der Bau mit zwei Zimmern soll Prototyp für eine ganze Kette solcher Unterbringungen sein. Die Module sind leicht montier- und wieder abbaubar. Der Erfinder ist nicht etwa Architekt, sondern Grafiker. Und er hat grosse Pläne.
Eine neuartige Form des Hotels als zeitgenössische Form der Unterbringung: Das versprechen sich die Verantwortlichen bei Tourismus Appenzellerland AR von den Outdoor Boutique Hotels, die von Heiden aus Verbreitung finden sollen. Die Rede ist auch von einem Popup-Hotelzimmer, weil es schnell auf- und wieder abgebaut ist. Irgendwo auftauchen, wieder verschwinden und anderswo erscheinen: Das liegt bei Läden bereits im Trend und soll nun auch den Tourismus erfassen. Für das erste Projekt liegt eine Betriebsgenehmigung in der Kurzone des Gasthauses Fernsicht in Heiden für Juni bis Ende Oktober 2018 vor. Die Lage ist nicht ohne Bedeutung, denn neben der aussergewöhnlichen Behausung geniesst man dort auch beste Aussicht.
Initiiert und geplant hat das PopUp-Hotel der Gestalter Silvio Seiler von Seiler / Graphik und Design GmbH in Speicher. Er hat für das Projekt mit der Nägeli Holzbau AG in Gais, Domus Leuchten & Möbel AG St. Gallen und der Grob AG Gebäudehüllen St. Gallen zusammengearbeitet. Betreiberin ist im ersten Fall die «Fernsicht». Die Bewilligung erstreckt sich derzeit für ein Modul mit zwei Zimmern, Ziel ist aber ein zweites Modul. «Funktioniert dieses Pilotprojekt, sollen weitere Standorte im Appenzellerland und den umliegenden Regionen geprüft werden», schreibt Tourismus Appenzellerland AR.
Der Initiant Silvio Seiler im Interview:
Silvio Seiler, wie kamen Sie auf die Idee eines PopUp-Hotels im Kleinformat?
Vor drei Jahren habe ich das Wochenende in Vorarlberg verbracht. In den frühen Morgenstunden in einer Bar habe ich einen Architekten kennengelernt. Dieser hat mir von einem Hotel erzählt, das er nebenbei und einmalig erstellt hat. Als er mir es zeigte, war ich hin und weg und sah grosses Potenzial für zeitgemässe Bedürfnisse: Sehnsucht nach Romantik, Social Media und Social Life, Sport und Aktivität, Design und Infrastruktur, Leben in der Natur, neue Ferienkulturen. Daraufhin habe ich das Konzept entwickelt und bin von Innerrhoden bis ins Tessin, von Graubünden bis nach Genf gereist, um Gastronomen, Hoteliers und Tourismusregionen die Idee schmackhaft zu machen.
Wie sahen die Reaktionen aus?
Es stiess überall auf Anklang – aber der Mut zur Realisierung fehlte nocht. Das Null Stern Hotel – als schönes Beispiel dafür, dass Kunstaktionen ein Umdenken im Kopf hervorrufen können – hat mich dazu bewogen, das Projekt noch einmal aus der Schublade zu nehmen. Die Erfahrung aus dem ersten Anlauf hat mich veranlasst, den Spiess umzudrehen: Statt einem Hotelbetrieb, der das Projekt für sich erstellt und finanziert, habe ich nach Partnern Umschau gehalten, mit denen das Projekt im Team und je auf Eigenleistung zu realisieren ist. Unter der Obhut des Architekten konnten wir das Projekt nun innerhalb weniger Wochen durch ein Bewilligungsverfahren der Gemeinde Heiden laufen lassen und auf die Beine stellen. Wenn es das Wetter will, wird es Ende Mai aufgestellt, und die ersten Nächte können im Juni gebucht werden.
Wieso geht ein Grafiker unter die Hotelkreateure?
Unter Grafik und Werbung verstehe ich nicht nur den Transport und den Verkauf einer Botschaft, sondern den Anspruch, etwas in Bewegung zu setzen und neue Reize mit unkonventionellen Angeboten auszulösen. Im besten Fall eine Verhaltensänderung. Also Kommunikation. Kommunikation für Produkte, Dienstleistungen – und für Menschen. Kommunikation füreinander und Kommunikation untereinander.
Was ist aus Ihrer Sicht das Spezielle an dieser touristischen Form?
So viel wie nötig, so wenig wie möglich: Der bewusste Verzicht auf Luxus und das romantische Erleben der Natur. Zu wissen, dass man sich aller Annehmlichkeiten des Betreiberhotels bedienen könnte - Frühstück am Bett, Benutzung der Wellnessanlage, gediegenes Abendessen -, aber nicht muss. Weil die Gäste heute alles wollen: Mehr Auswahl und mehr Einfachheit, mehr Flexibilität und mehr Sicherheit, mehr Anregungen und mehr Entspannung, mehr Individualität und mehr Zugehörigkeit, mehr Begegnungen und mehr Rückzug. Diese Widersprüche erfüllen wir mit unserem Angebot.
Gibt es weitere Pläne? Andere Modelle, Expansion in andere Regionen…
Es sind bereits erste Kontakte geknüpft, die wir vertieft führen, wenn das Projekt mit den Interessenten vor Ort besucht werden kann. Aktuell gibt es Anfragen aus Hotellerie- und Gastronomiebetrieben sowie Tourismusregionen. Wir freuen uns über jedes Interesse – sei dies in Form von Besuchern, Übernachtern oder neuen Projektpartnern. Unsere Vision ist eine Outdoor Boutique Hotelkette, die weit über die Kantons- und Landesgrenzen hinausgeht.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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