«Heimat», die Zigarette aus der Ostschweiz, ist eine Erfolgsgeschichte, was die Nachfrage angeht. Derzeit ist das Unternehmen aber in Schwierigkeiten, es befindet sich in Nachlassstundung. Produziert wird aber weiter. Und die Probleme werden laut den Gründern schon bald beseitigt sein.
In einem Industriequartier in Steinach entsteht ein Produkt, das es schon international zu Schlagzeilen gebracht hat. Ende 2015 legte die Koch & Gsell AG hier den Grundstein für die neue Zigarettenmarke «Heimat», seit April 2016 ist diese auf dem Markt.
Den eigentlichen Durchbruch feierte das Unternehmen im Sommer 2017 mit einer Kombination aus Tabak und Hanf. «Wir waren plötzlich überall in den Medien, der Umsatz ist in die Höhe geschnellt», erinnert sich CEO Roger Koch. Er sitzt zusammen mit seinem Bruder Björn Koch, der für den Auftritt der Marke zuständig ist, in seinem Büro, flankiert von den eigenen Produkten, der Tabakduft aus den Produktionsräumen einen Stock tiefer hängt in der Luft.
Fluch und Segen sei dieser frühe Erfolg gewesen, sagt Roger Koch. Die Firma hatte Mühe, mit den Lieferungen Schritt zu halten. Der Umsatz verdoppelte sich im Folgejahr noch einmal, aber dann, räumt Roger Koch ein, «sind vielleicht die Fantasien mit uns durchgegangen.» Die Marke «Heimat» ging in die Offensive: Neue Produkte wurden entwickelt, in Maschinen investiert, Verkaufsförderung und Marketing hochgefahren. In jener Zeit floss viel Geld in Sponsoring, Kioskaktionen und Festivals. Einiges davon war nötig, vor allem die Investitionen in die Infrastruktur, anderes hingegen war Wunschbedarf. Man habe sich in jener Phase «berauschen lassen vom Erfolg».
Dabei hatten die Zigarettenmacher ihr eigenes Erfolgsrezept ja bereits kreiert, es dann aber ausser Acht gelassen. Mit der Mischung aus Tabak und Hanf war «Heimat» in der Schweiz ein Pionier. «Wenn das gelingt, braucht man kaum Marketing, das sehen wir auch jetzt beim Markteintritt in Luxemburg», sagt Björn Koch. Dort habe man es mit ein paar tausend Franken flächendeckend in die Medien geschafft. In Belgien, dem nächsten Markt könnte es ebenso sein. Entsprechend sei vieles von dem, was man teuer bezahlt habe, wohl gar nicht nötig gewesen.
Das Problem: Das Umsatzwachstum, das die Gründer berauscht hatte, flachte danach ab, die Kosten blieben aber. Schwarze Zahlen geschrieben habe man seit der Gründung noch nie, so Roger Koch, aber hätte man die Kosten in den alten Dimensionen gelassen, hätte sich das irgendwann geändert. Nun sieht es aber anders aus: Das Ergebnis war die Zahlungsunfähigkeit und die Nachlassstundung für das Unternehmen. Ein Einschnitt, der nicht öffentlich bekannt wurde, auch wenn Roger Koch in Gesprächen stets offen kommunizierte, dass die Firma in Schwierigkeiten steckt.
Das vor allem auch gegenüber den Gläubigern, 16 an der Zahl, die mit einer Ausnahme alle gut reagierten und die Koch & Gsell AG stützten - «weil sie an das Produkt glauben», so Roger Koch. Selbst habe man ebenfalls sofort alles daran gesetzt, aus dem Tief zu kommen. Weniger Geld in Sponsoring und Verkauf, weniger Kräfte in der Produktion. Ab Januar 2020, sind sich die Brüder Koch einig, werde man damit wieder profitabel sein.
Doch die Nachlassstundung zwingt zu grösseren Schritten. Möglichkeiten, langfristig aus dem Tief zu kommen, habe es inzwischen mehrfach gegeben. Aus China, Indien und Kanada kamen Übernahmeangebote. Aber die potenziellen Käufer wollten in erster Linie die Technologie und das Produkt, den Standort Schweiz hätten sie geopfert – was für Roger und Björn Koch nicht in Frage kam.
Dennoch bleiben Optionen. Einer davon ist der Börsengang, der dem Familienunternehmen nicht besonders sympathisch ist – zu viel Administration, zu viel Papierkrieg, zu wenig Flexibilität. Die zweite Variante ist der Einstieg einer Investorengruppe aus dem Baltikum. Die Gespräche mit diesen Investoren seien weit fortgeschritten. Roger Koch: «Dass das Unternehmen gerettet wird, ist für mich keine Frage, nun geht es noch um Details.»
Trotz der schwierigen Lage habe man weiter an Innovationen getüftelt, weil das nötig sei, um wettbewerbsfähig zu sein, so Roger und Björn Koch. Dazu gehört beispielsweise die «Black Box», die derzeit noch mit einer Blache vor neugierigen Augen geschützt wird. Ihre Entwicklung hat zwei Millionen Franken verschlungen, diese seien allerdings gut angelegt. Die Verarbeitung von Hanf ist komplex, weil der Bestandteil Harz die Produktionsmaschinen verklebt und stilllegt – ein Problem, das die «Black Box» gelöst und damit die Produktion der Hanfzigarette erst ermöglicht hat.
Die Nachlassstundung sei unangenehm, so Roger Koch zusammenfassend, aber keineswegs das Ende der Geschichte. Die Reaktionen der Gläubiger seien sehr aufbauend gewesen, die Hausbank stehe hinter dem Unternehmen. Man sei weiter operativ tätig, Rechnungen werden bezahlt, nun gehe es darum, die Altlasten zu begleichen.
Einen Stock tiefer liegt eine neue Lieferung der Hanfzigaretten nach Luxemburg bereit. Dort wurde bereits fleissig nachbestellt. Italien und Österreich sind weitere Märkte, die «Heimat» anpeilt – sobald das Unternehmen mit der Hilfe von Investoren wieder seine alte Flughöhe erreicht.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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