Normalerweise erfährt man auf dieser Seite des Röstigrabens kaum, was sich jenseits so tut. Ausser ein prominentes SVP-Mitglied leiste sich wieder einmal einen gröberen Patzer.
Der Patzer geschah in der Sendung «Infrarouge» des Westschweizer Fernsehens RTS wenige Tage nach den eidgenössischen Wahlen Ende Oktober. In die Diskussionssendung eingeladen waren der wiedergewählte Nationalrat Nicolas Walder (Grüne, Genf), sowie die neu gewählten Estelle Revaz (SP, Genf) und Thomas Stettler (SVP, Jura, im Bild).
Ebenfalls eingeladen waren drei Journalisten beziehungsweise Publizisten: Die stellvertretende Chefredaktorin der Tageszeitung «Le Temps», Laure Lugon Zugravu, der «Watson»-Journalist Antoine Menusier sowie der vom Moderator als «Sozialist» bezeichnete Schriftsteller und Essayist François Cherix.
Thema der Sendung: Der Wahlsieg der SVP und die Niederlage der Grünen. Dies unter dem Stichwort «Immigration, Identität, Prekariat».
Unausgeglichen verteilte Redezeit
Betrachtet man die effektive Redezeit, so kamen die beiden linken Publizisten und die beiden linken Politiker zusammen auf insgesamt fast eine halbe Stunde Redezeit, gegenüber nur je etwas sechs Minuten für das eingemittete Mitglied der Chefredaktion von «Le Temps» und den SVP-Politiker.
Dies schien jedoch niemandem eine Meldung wert. Auch teilweise sinnbefreite Aussagen der linken Politiker und Journalisten sorgten für kein Stirnrunzeln.
So sprach der grüne Nationalrat gleich zweimal in der Sendung von «erzwungener Migration» (als würden die Migranten mit vorgehaltener Waffe gezwungen, in die Schweiz zu migrieren), brabbelte ziemlich zusammenhanglos etwas von «Verantwortung der Multinationalen» und «Fragen der Menschenrechte», um zu konkludieren, dass man eben «in Somalia investieren müsse, damit die Leute bei sich zu Hause bleiben können».
Somali Stock Exchange
Zur Information für den forschen Politiker. Es gibt in Somalia tatsächlich eine Institution, die nennt sich: Somali Stock Exchange. Der grüne Weltverbesserer ist somit herzlich eingeladen, seine Franken in die dort kotierten Firmen zu investieren, um seinen Worten auch Taten folgen zu lassen.
Tollkühn auch die rhetorischen Volten des «Watson»-Journalisten. Er nenne die SVP eine «identitäre Partei», weil der Begriff «rechtsextrem» tabu sei. Zwar sei das Programm der Partei identisch mit demjenigen anderer rechtsextremer Parteien in Europa, aber eben: «Man darf die SVP nicht als rechtsextreme Partei bezeichnen, aber in diesem Fall sollte die Presse das Rassemblement National (die Partei von Marine Le Pen) in Frankreich und die Fratelli d'Italia ebenfalls nicht als rechtsextrem bezeichnen.»
Das erinnerte mehr als nur ein wenig an die Schlaumeiereien von Kindern: «Mami, ich habe das Spielzeug unter dem Bett versteckt. Aber weil es niemand wissen darf, sage ich es auch niemanden.»
Ich nicht, du auch
Geradezu kindlich unschuldig auch der «Sozialist» François Cherix: Kaum kam der SVP-Politiker Stettler nach einem Drittel der Sendung endlich einmal zu Wort, schnitt ihm Cherix bereits nach zehn Sekunden rigoros das Wort ab. Nur um ihn eine halbe Stunde später anzuherrschen: «Lassen Sie mich ausreden, ich habe Sie auch nicht unterbrochen!» Ach ja?
Der SVP-Politiker argumentierte ebenfalls ziemlich unschuldig und frei von der Leber drauflos: Er sei Bauer, habe Land, und dieses Land sei wie die Schweiz: «Ich habe Tiere, und diese Tiere müssen essen.»
Auch nickte er erfreut, als der «Watson»-Journalist die SVP als «identitäre Partei» bezeichnete, sodass sich letzterer beeilte, ihm zu erklären, dass «identitär» kein Kompliment sei, und der Moderator belustigt meinte: «in Ihrem Mund ja, aber nicht in seinem Ohr.»
Medial aufgeblasenes Statement
Medial aufgeblasen wurde aber ein Statement von Thomas Stettler ganz zum Schluss der Sendung, als er mit erhobenem Zeigefinger dozierte: «Die SVP ist keine rassistische Partei. Xenophob vielleicht. Was bedeutet Xenophobie? Es bedeutet, dass man Angst vor dem Fremden hat. Xenophob zu sein, ist kein politischer Fehler, sondern eine Phobie.»
Diese Aussage war dumm, ohne Zweifel. Entsprechend meinte der ebenfalls neu gewählte Genfer SVP-Nationalrat Charles Poncet lapidar: «Tubel gibt es in jeder Partei.»
Rückfrage an Charles Porcet: «Wie kam es dazu, dass ausgerechnet ein welscher Politiker, der nicht französischer Muttersprache ist, in einer solchen Sendung auftritt? Hat man keinen anderen gefunden, und hatte die Partei dazu nichts zu sagen?»
«Presseabteilung der SP»
Die Antwort des Genfer Anwalts liess an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: «RTS wählt seine Eingeladenen aus und setzt seine Diskussionsrunden meiner Ansicht nach so zusammen, dass die Linke immer im Vorteil ist. Dies ist übrigens auch der Grund, warum ich nicht an solchen Diskussionsendungen teilnehme, selbst wenn ich eingeladen werde. Ich will nicht dazu beitragen, die Presseabteilung der SP zu legitimieren…»
Schaut man die Verteilung der Redezeit an, dann hat er nicht ganz unrecht. Wenn seine Abstinenz vom Podium aber dazu führt, dass sich stattdessen ein welscher SVP-Vertreter schweizerdeutscher Muttersprache dort tummelt, der aufgrund mangelnder Eloquenz erwartungsgemäss unter die Räder kommt, dann ist diese Haltung zumindest strategisch nicht ganz geschickt.
Sturm im Wasserglas
Dass dieser Sturm im Wasserglas auch in die Deutschschweiz geschwappt ist, verdanken wir übrigens Philippe Reichen, Westschweiz-Korrespondent des «Tages-Anzeigers». Als Vertreter der altlinken Fraktion im Pressekorps teilt er das Schicksal anderer Altlinker, die nicht mehr so richtig wissen, wofür sie eigentlich sind, dafür aber mit umso grösserer Bestimmtheit wissen, wogegen sie sind: die SVP.
Entsprechend kam es ihm nicht etwa in den Sinn, die Frage zu kontemplieren, ob eine Verteilung der Redezeit im Verhältnis von 5:1 zu Gunsten der Linken im staatlichen Monopolfernsehen staatspolitisch akzeptabel sei. Es kam ihm auch nicht der Gedanke, dass in der Westschweiz tagtäglich Gewichtigeres geschieht, worüber sich zu berichten lohnte, als ein dummer Spruch eines SVP-Nationalrats.
Aber nein, all diese Dinge kann man getrost aussen vor lassen, wenn sich bloss die Gelegenheit bietet, wieder einmal über die SVP herzuziehen.
(Bild: svp.ch)
Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.
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