Als Nationalräte machten sie gezielt Jagd auf einen unliebsamen Journalisten. Nun möchten sie Bundesrat werden. Von Gewaltenteilung scheinen die beiden offiziellen SP-Bundesratskandidaten nicht viel zu halten. Ein Kommentar von Thomas Baumann.
Man lernt es früh im Staatskundeunterricht: Die Medien sind die «vierte Gewalt» im Staat. Sie sollen die Machthabenden in Exekutive, Legislative und Judikative kontrollieren.
Dass es den Schweizerinnen und Schweizern damit ernst ist, zeigte die Volksabstimmung über das Medienpaket vom 13. Februar 2022. Mit diesem Paket plante der Bund, Medien finanziell zu unterstützen. Offensichtlich verfingen aber die Argumente der Gegner, welche befürchteten, dass staatlich finanzierte Medien weniger unabhängig berichten.
Wohlgemerkt waren die Förderbeiträge des Bundes in keiner Art und Weise an inhaltliche Vorgaben zur Berichterstattung gebunden. Der Bund hätte weder unbequemen Medien die Beiträge vorweigern, noch – Gott bewahre – die Entlassung unliebsamer Journalisten fordern können. Dennoch zeigte die letztlich deutliche Ablehnung des Medienpakets, dass der Souverän auch nicht den Hauch eines Verdachts bezüglich der Unabhängigkeit der Medien duldet.
Jans und Pult im Vorstand von «Fairmedia»
Beat Jans und Jon Pult sind nicht nur beide offizielle Bundesratskandidaten der Sozialdemokraten, sondern teilen auch eine weitere Eigenschaft: Sie waren als Nationalräte im Vorstand des Vereins Fairmedia aktiv. Beat Jans hat den Verein 2015 mitbegründet und war bis zum seinem Amtsantritt als Regierungspräsident von Basel-Stadt Anfang 2021 dessen erster Präsident, Jon Pult wurde im Sommer 2020, kurz nach seiner Wahl in den Nationalrat, in den Vorstand von Fairmedia gewählt.
Es ist dabei keineswegs an der Tagesordnung, dass ein Nationalrat im Vorstand von Fairmedia sitzt: Neben Jans und Pult tat dies so weit nur noch der Mitte-Nationalrat Simon Stadler aus dem Kanton Uri. Der Verein stellt sich selber unter das Motto: «Ohne Journalismus keine Demokratie und ohne Fairness kein Journalismus».
Mit einer etwas nüchterneren Selbstcharakterisierung wendet er sich ans Publikum: «Die kostenlose Anlaufstelle für Betroffene von Medienberichten. Fairmedia hilft allen Betroffenen von unfairer Medienberichterstattung. Die Beratungen sind kostenlos. Wir helfen Ihnen dabei, eine Beschwerde beim Presserat einzureichen…»
«Überlasteter» Presserat
Presserat – war da nicht mal was? Genau, ebendieser Presserat beklagt sich fast ohne Unterlass über eine angebliche «Beschwerdeflut», welche er kaum mehr zu «kanalisieren» vermöge – weswegen er ganz dringend Geld vom Staat benötige.
Daher die Frage an den Presserat: «Wie stellt sich der Presserat dazu, dass ein Verein das Einreichen von Beschwerden beim Presserat als Zweck des Vereins angibt und damit weiter zur Überlastung des Presserats beiträgt?» Antwort Presserat in bester bürokratischer Manier: «Der Presserat hat keinen Einfluss darauf, welche Vereine mit welchen Zweckbestimmungen gegründet werden». Von «Überlastung» kein Wort.
Dass es mit der angeblichen «Überlastung» nicht weit so weit her ist, zeigen zwei weitere Fakten: In diesem Jahr hat es der Presserat bis Ende November gerade einmal geschafft, 30 Fälle zu entscheiden und zu publizieren. Obwohl er sich damit in Richtung eines absoluten Tiefstandes bewegt, und trotz der oft beklagten knappen Finanzen leistet er sich seit einigen Monaten eine neue Stelle für eine «wissenschaftliche Mitarbeiterin».
Der Journalist muss weg
Fairmedia beschränkt sich jedoch nicht bloss auf Einreichen von Beschwerden beim Presserat. Explizit begründet, um den Rechtskurs der «Basler Zeitung» unter Chefredaktor Markus Somm zu bekämpfen, geht der Verein auch auf einzelne Journalisten los.
So fragte Fairmedia im Dezember 2020: «Ist Presserats-Dauersünder Daniel Wahl für Tamedia noch tragbar?» Mit dieser Kampagne wurde der Tamedia-Konzern (heute TX Group) als Besitzer der «Basler Zeitung» ziemlich unverhohlen dazu aufgefordert, den erwähnten Journalisten zu entlassen. Tatsächlich war diese Kampagne letztlich von Erfolg gekrönt: Rund ein Jahr später wurde der angeschossene Journalist von seinem Arbeitgeber gefeuert.
Anstatt im Passiv lassen sich die Geschehnisse auch aktiv formulieren: «Der SP-Nationalrat Jon Pult und der SP-Nationalrat und designierte Basler Regierungspräsident Beat Jans fordern die Entlassung eines Journalisten.»
Einflussnahme auf Zusammensetzung einer Redaktion
Hatte der Souverän schon Angst um die Freiheit der Presse, wenn sie vom Bund subventioniert wird, so sehen wir hier den Versuch zweier Mitglieder der Legislative – welche eigentlich durch die Presse kontrolliert werden sollte – direkt auf die personelle Zusammensetzung einer Redaktion Einfluss zu nehmen.
Diese beiden Nationalräte möchten heute Bundesrat werden. Im schlechtesten Fall wird einer dieser beiden eines Tages als «Medienminister» amtieren. Der Volksmund hat dafür ein treffendes Bonmot: Den Bock zum Gärtner machen.
Auch weitere Aktivitäten von «Fairmedia» zeugen nicht gerade von einem grossen Engagement oder Verständnis für die Pressefreiheit: So organisierte der Verein ausgerechnet eine Spendensammlung für die umstrittene Internetaktivistin Jolanda Spiess-Hegglin. Etliche Journalisten haben deren Prozessandrohungen bereits zu spüren bekommen. Das von Fairmedia gesammelte Geld sollte – was denn sonst? – ebenfalls dazu dienen, einen Prozess von Spiess-Hegglin gegen eine Zeitung zu finanzieren.
Politischer Kampftrupp
Dass der Verein Fairmedia in Tat und Wahrheit mehr ein politischer Kampftrupp als die Wohltätigkeitsorganisation ist, zu der er sich selber stilisiert, zeigt auch sein Umgang mit den Medien. Sind Nichtregierungsorganisationen üblicherweise ganz erpicht darauf, ihr Tun gegenüber Medienschaffenden herauszustreichen, tönt es bei Fairmedia so: «Ohne zu wissen, welche Zwecke Ihre Recherche verfolgt, kann ich Ihnen leider keine Informationen herausgeben.» Oder zwei Jahre später als Antwort auf die harmlose Bitte um Einsicht in die Geschäftsberichte: «Gerne würden wir noch etwas mehr über die Hintergründe Ihrer Recherche und die Stossrichtung des geplanten Artikels erfahren.»
Geben sich wenigstens Beat Jans und Jon Pult weniger zugeknöpft? Konfrontiert mit dem Vorwurf, als Nationalrat gezielt zur Jagd auf einen einzelnen Journalisten geblasen zu haben, antwortet Beat Jans: «Freier, regierungskritischer Journalismus ist ein zentraler Pfeiler der Demokratie, für den ich aus Überzeugung einstehe. Unfaire, tatsachenwidrige oder persönlichkeitsverletzende Berichterstattung hingegen schadet dem Journalismus. Er bringt die grosse Mehrheit der seriös und professionell arbeitenden Medienschaffenden in Verruf und hindert die vierte Staatsgewalt daran, ihre wichtige Rolle für die Demokratie wahrzunehmen. Deshalb habe ich Fairmedia mitbegründet und präsidiert. Mit meiner Wahl zum Regierungspräsidenten von Basel-Stadt im Jahr 2020 habe ich alle Funktionen bei Fairmedia abgegeben.»
Im Widerspruch zur Gewaltentrennung
Versucht sich mit dem letzten Satz gerade jemand von seinen früheren Aktivitäten zu distanzieren? Job Pult hingegen lässt die an ihn gerichtete Medienanfrage unbeantwortet.
Es bleibt das Fazit: Politiker, die sich anmassen, darüber bestimmen zu können und zu dürfen, wer in den Zeitungsredaktionen seiner Arbeit nachgehen darf, sollten nicht im Bundesrat sitzen. Ebenso wenig geht an, dass sich Politiker in einem Verein engagieren, welcher Prozesse von Drittpersonen gegen einzelne Medien finanziert. Ein solches staatspolitisches Verständnis steht in diametralem Widerspruch zu schweizerischen Werten und dem klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Souveräns. Im Bundesrat ist dafür kein Platz.
Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.
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