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Strafverfahren gegen Politiker

St.Galler SVP-Regierungsratskandidat Christof Hartmann nimmt Stellung - auch andere äussern sich zum Amtsmissbrauchsvorwurf gegen den Politiker

Er steht wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch vor Gericht. Was ist von den Vorwürfen gegen den St.Galler SVP-Regierungsratskandidaten Christof Hartmann zu halten? Ein Anwalt sowie Parteiexponenten ordnen den Fall ein. Ausserdem: Die Stellungnahme des Beschuldigten.

Marcel Baumgartner am 21. Dezember 2023

Worum es geht: SVP-Regierungsratskandidat Christof Hartmann muss aufgrund eines mehrere Jahre alten Falles im Januar vor Gericht antraben. Die negativen Schlagzeilen kommen für ihn zu einem äussert ungünstigen Zeitpunkt: Im März wählen die St.Galler Stimmberechtigten den oder die Nachfolgerin von SVP-Regierungsrat Stefan Kölliker und greifen mit zwei Kandidaturen auch den freiwerdenden SP-Sitz des zurückgetretenen Fredy Fässler an.

Weshalb das wichtig ist: Sollte Hartmann im Januar verurteilt werden, kann er seine Ambitionen auf das Regierungsamt wohl begraben.


Die Geschichte hat ihren Ursprung im Jahr 1998, wird aber für Christof Hartmann, Regierungsratskandidat der St.Galler SVP, zu einem ungünstigen Zeitpunkt wieder aktuell. Der Kantonsrat steht im Januar 2024 vor dem Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland. Er ist wegen Amtsmissbrauchs während seiner Zeit als Gemeinderat von Walenstadt in einem Strafverfahren angeklagt.

Im Raum steht die Frage, ob sich Hartmann und ein weiterer ehemaliger Gemeinderat bei einer nicht baurechtskonform errichteten Stützmauer über die Vorschriften hinweggesetzt, beziehungsweise diese zugunsten des Bauherrn ausgelegt haben. Als Klägerin fungiert die Nachbarschaft.

Klägerin wandte sich an die Medien

Die Geschichte hat diese Woche das Onlineportal «Watson» aufgerollt. Wie Reporterin Aylin Erol auf Anfrage von «Die Ostschweiz» erklärt, kam der Auslöser aus der Klägerschaft, der Familie Ghaemmaghami, welche die Medienschaffende auf den bevorstehenden Gerichtstermin im Januar hinwies. Der Hinweis erfolgte gemäss Aussagen der Journalistin, nachdem Christof Hartmann von der SVP-Delegiertenversammlung zum Regierungsratskandidaten nominiert worden war.

Zwei Gerichte haben bereits entschieden

Der «Watson»-Artikel, der in der gedruckten Ausgabe des ebenfalls zu CH Media gehörenden «St.Galler Tagblatts» eine ganze Seite und den Hauptanriss auf der Frontseite einnimmt, schildert den gesamten Verlauf der Auseinandersetzung der beiden Parteien – Bauherr und Nachbarschaft – im Detail. Die Familie Ghaemmaghami gewährt der «Watson»-Journalistin Einblick in diverse Gerichtsdokumente und Verfügungen.

Aus diesen geht hervor, dass sowohl das St.Galler Verwaltungsgericht 2012 und 2018 als auch das Bundesverwaltungsgericht 2013, 2015 und 2019 zum Schluss gekommen sind, dass die 1998 erstellt Stützmauer nicht den Bauvorschriften entspricht.

Trotz den einschlägigen Urteilen sollen die damaligen Gemeinderäte anschliessend Verfügungen zugunsten des Mauereigentümers unterzeichnet haben. Genügt dies, um die Beschuldigten wegen Amtsmissbrauchs zu verurteilen?

Artikel Hartmann

Der Artikel von «Watson» ist auch im «St.Galler Tagblatt» erschienen. Er nimmt dort eine ganze Seite in Beschlag. (Bild: mba)

Vorwürfe sind keine Seltenheit

Ein St.Galler Anwalt, der in diesem Zusammenhang nicht namentlich genannt werden möchte, verweist auf den entsprechenden Artikel 312 im Strafgesetzbuch. Dort steht geschrieben: «Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.»

Der Anwalt fügt an, dass es einerseits häufig vorkomme, dass Beamte des Amtsmissbrauchs bezichtigt werden und andererseits auch die Schwelle relativ tief sei, bis ein Verfahren eröffnet werde. «Dass Hartmann nun vor Gericht steht, daraus lässt sich grundsätzlich noch nichts ableiten. Es braucht klare Beweise, bis es zu einem Schuldspruch kommt», so der Anwalt.

Wieso ging das so lange?

Für ihn stelle sich im vorliegenden Fall, den er nur aus der Medienberichterstattung kenne, die Frage, warum es so lange gedauert habe, bis es zu einer Beurteilung vor Gericht kommt. «Der Angeschuldigte hätte das Verfahren beschleunigen können, was gerade im Zusammenhang mit einer Regierungsratskandidatur wohl angebracht gewesen wäre.» Bis zum Gerichtsentscheid gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.

Was wusste die Partei?

Der Schaden ist für den Regierungsratskandidaten Hartmann aber schon angerichtet. Das Rechtsverfahren bringt ihm negative Schlagzeilen und rückt ihn in ein schiefes Licht. Wie aus dem «Watson»-Artikel hervorgeht, habe er aber die Fraktions- und Parteispitze vor seiner Nomination über den laufenden Prozess informiert.

Das bestätigt auch ein SVP-Delegierter: «Wie bewusst es den Delegierten war, kann ich nicht sagen. Es ist aber seit Jahren ein Thema. Mindestens in der Fraktion und in seiner Region war es bekannt. Die Parteileitung war sicherlich auch im Bild.»

SVP-Präsident war informiert

Das unterstreicht auch der Präsident der SVP-Kantonalpartei, Walter Gartmann: «Christof Hartmann hat im Nominationsprozess und auch bereits früher in der Kantonsratsfraktion immer offen über diesen Fall kommuniziert, soweit er dies durfte.» Die Fraktions- und Parteispitze sei auch seit längerem über dieses seit Jahren dauernde Verfahren orientiert.

Hartmann habe mit dem zweiten Vizepräsidenten einen Gemeinderatsbeschluss unterzeichnet, den sie als Kollegialbehörde gefasst hätten. «Ein tägliches Geschäft auf unseren Gemeinden. Bis heute sind sämtliche Gemeinderäte und der ehemalige Gemeinderatsschreiber von der Klägerin angeklagt. Über mehr Details darf und konnte bisher nicht informiert werden, da es ein hängiges Verfahren ist. Dies gilt es zu respektieren», so Gartmann.

«Erwarte klaren Freispruch»

Das Verfahren laufe nun schon seit über neun Jahren und werde hoffentlich im Januar 2024 endlich abgeschlossen. «Ich erwarte einen klaren Freispruch für alle angeklagten Personen vom Gemeinderat Walenstadt», stellt Gartmann klar.

Und weiter: «Diese Angelegenheit hatte keinen Einfluss und wird keinen solchen auf die sehr gute Kandidatur Christof Hartmanns für die Regierungsratswahlen vom Frühjahr 2024 haben.»

Die SP hält sich noch zurück

Die St.Galler SP, deren frei werdender Sitz von der SVP direkt angegriffen wird, hält sich noch zurück. Parteipräsidentin Andrea Scheck sagt: «Natürlich sieht so ein Vorwurf für einen Regierungskandidaten nicht gut aus. Aber aktuell handelt es sich bei dem Fall noch um ein laufendes Gerichtsverfahren, daher ist eine Aussage der SP dazu schwierig.»

Zuerst solle das Gericht im Januar entscheiden, ob Christof Hartmann Amtsmissbrauch begangen habe. «Falls das Gericht dann gegen ihn entscheidet, erwarten wir von der SVP und von Christof Hartmann natürlich die entsprechenden Konsequenzen», so Scheck.

Und was sagt der Beschuldigte selber?

Christof Hartmann nimmt auf Anfrage schriftlich Stellung: «Ich bin bezüglich des laufenden Verfahrens nicht vom Amtsgeheimnis Ihnen gegenüber entbunden und kann über das konkrete Geschäft keine Auskunft erteilen. Der Anklagevorwurf bezieht sich auf einen Vorgang im Jahre 2015. Die Verfügung musste ich unterzeichnen – nach einem Beschluss des Gesamtgemeinderates, als Kollegialbehörde (der 7 Mitglieder angehörten), als damaliger Vizegemeindepräsident, namens des Gesamtgemeinderates der Gemeinde Walenstadt, zusammen mit einem weiteren Mitglied des Gemeinderates

Er werde seine Argumente anlässlich der öffentlichen Hauptverhandlung dartun und gehe davon aus, dass dies dem Anspruch der Öffentlichkeit auf entsprechende Informationen genüge. Zudem weise er ausdrücklich darauf hin, dass für ihn die Unschuldsvermutung gelte.

«Ich bitte Sie deshalb, bevor Sie meine Argumente anlässlich der Gerichtsverhandlung gehört haben, in der Berichterstattung von Vorverurteilungen abzusehen. Noch ein Satz zum Thema 'Vetternwirtschaft:' Ich war, bin und werde immer gegen jegliche Art von Vetternwirtschaft sein.»

Stellungnahme

Schriftliche Stellungnahme von Christof Hartmann.

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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