Bauern haben in den vergangenen Jahren weniger Gülle eingesetzt. Dies belegen die neuesten Zahlen des Bundes. Der St.Galler Bauernverband bestätigt dies – sieht aber auch neue Herausforderungen, erklärt die stellvertretende Geschäftsführerin Muriel Kofler.
Muriel Kofler, aus der Landwirtschaft gelangen weniger Düngeüberschüsse in den Boden und die Umwelt. Die Reduktion von Stickstoff und Phosphor beträgt seit 2014/16 je rund zehn Prozent. Diese Zahlen hat Agroscope vor wenigen Tagen bekannt gegeben. Wie lässt sich der Rückgang erklären?
Die Rückgänge beim Phosphor und Stickstoff können hauptsächlich auf einen geringeren Futtermittelimport zurückgeführt werden. Zwischen den Referenzjahren 2014/16 und 2019/21 haben die importierten Futtermittel insgesamt um fast 2000 Tonnen Stickstoff abgenommen. Beim Stickstoff kommt zusätzlich der abnehmende Mineraldüngerverbrauch dazu. Seit etwa zehn Jahren ist ein sinkender Trend beim Mineraldüngerverbrauch zu beobachten. Dieser wird allerdings von Jahresschwankungen überlagert. Ein weiterer Grund für die Reduktion ist die Einführung des Internetprogramms Hoduflu des Bundes. Damit werden Hofdüngerverschiebungen erfasst, was die Nährstoffflüsse in der Landwirtschaft transparent macht.
Weshalb wurde weniger Futtermittel importiert und weniger Mineraldünger verwendet?
Der Import von Mineraldüngern ist stark preisabhängig. Aufgrund der Coronakrise und dem Krieg in der Ukraine sind die Düngerpreise so stark angestiegen, wie dies seit der Wirtschaftskrise 2008 nicht mehr der Fall war. Die Landwirtschaftsbetriebe reagieren sensibel auf diese Veränderungen. Die Entwicklung seit 2014/16 zeigt, dass der Mineraldüngerverbrauch insbesondere in den Jahren 2019 und 2020 weit unter dem Durchschnitt des letzten Jahrzehnts lag.
Und beim Futtermittelimport?
In diesem Bereich gibt es zahlreiche Einflussfaktoren. Ein grosser ist die produzierte Milchmenge. Diese ist in den letzten Jahren zwar konstant geblieben, die Anzahl Milchkühe hat sich jedoch verringert. Pro Kuh braucht es durch die höhere Milchleistung zwar tendenziell mehr Futter, absolut gesehen ist der Futterbedarf aber gesunken. Folglich wurden auch weniger Futtermittel importiert.
Experten sind sich jedoch noch nicht sicher, ob der Trend anhält. Für wie stabil halten Sie die Entwicklung?
Wenn wir nicht nur die letzten zehn Jahre, sondern die ganze untersuchte Periode seit 1975 betrachten, erkennen wir, dass die Überschüsse beim Stickstoff und beim Phosphor deutlich abgenommen haben. Die langjährige Entwicklungstendenz schätzte ich dementsprechend stabil ein. Jahresschwankungen wird es nach wie vor geben.
Zwar ist die Reduktion eine gute Nachricht. Die Abnahme muss sich jedoch weiter verstärken, um die Ziele der Politik zu erreichen. Wie gross sind die Herausforderung für die Betriebe?
Der Bundesrat hat im Jahr 2022 hat den «Absenkpfad Nährstoffverlust» beschlossen. Die Stickstoff- und Phosphorverluste aus der Landwirtschaft müssen bis 2030 um 15 Prozent beim Stickstoff und 20 Prozent beim Phosphor im Vergleich zu 2014/2016 reduziert werden. Die beschlossenen Massnahmen des Bundes werden kaum ausreichen, um dieses Ziel zu erreichen. Die Landwirtschaft muss selbst zusätzliche Massnahmen ergreifen.
Die Verringerung von Nährstoffverlusten wirft also viele Zielkonflikte auf. Was heisst das für den einzelnen Betrieb?
Die Reduktionsziele können zu einer wirtschaftlichen Schlechterstellung führen. Zudem besteht die Gefahr, dass die Massnahmen gesamtheitlich betrachtet zu einer Verlagerung des Problems ins Ausland führen. Ab 2024 wird der Toleranzbereich von zehn Prozent bei Stickstoff und Phosphor in der Nährstoffbilanz aufgehoben. Diese Massnahme wird vor allem Betriebe einschränken, welche auf die Produktion von Lebensmittel ausgerichtet sind. Die Schwierigkeit besteht darin, Verluste zwar zu minimieren, aber gleichzeitig eine ausreichende Nährstoffversorgung sicherzustellen.
Sind Schleppschläuche eine gute Hilfe, um die Reduktion weiter voranzutreiben?
Die Lagerung und Ausbringung von Gülle machen mit 40 Prozent einen Grossteil der Ammoniakemissionen aus der Tierhaltung aus. Die sogenannte «Volatilisierung» oder Verflüchtigung von Ammoniak aus der Gülle tritt vor allem dann auf, wenn die Gülle eine grosse Kontaktfläche zur Aussenluft hat. Bei einem Schleppschlauch wird die Gülle bodennah und streifenförmig ohne grosse Bewegungen in der Luft ausgebraucht. Bei der Verwendung eines Schleppschlauchs entweicht somit 30 bis 50 Prozent weniger Ammoniak in die Luft als mit dem Breitverteiler. Der Schleppschlauch ist also durchaus positiv in Bezug auf die Ammoniakemission zu beurteilen.
Gibt es allenfalls weitere Verbesserungspunkte?
Es gibt zahlreiche weitere Massnahmen, die ergriffen werden könnten, um die Nährstoffverluste aus der Landwirtschaft zu reduzieren. Beispielsweise gibt es Zusätze für das Futter oder die Gülle. Diese sind aber häufig teuer und/oder deren Wirkung ist nicht sonderlich gross. Andere Massnahmen im Stallbau, welche effektiver wären, stehen häufig in einem Zielkonflikt mit dem Tierwohl. Je mehr Lauffläche beispielsweise pro Tier zur Verfügung stehen, desto mehr Ammoniak kann sich aus dem Urin verflüchtigen. Grosses Potenzial sehe ich in der biologischen Stickstofffixierung durch Leguminosen, welche durch eine geeignete Fruchtfolge unterstützt werden kann. Weitere wirkungsvolle Massnahmen sind die Phasenfütterung, die Gülleansäuerung und Gülleverdünnung.
Zur Person
Muriel Kofler ist stellvertretende Geschäftsführerin des St.Galler Bauernverbands mit Sitz in Flawil.
Der St.Galler Bauernverband
Der St. Galler Bauernverband ist eine Organisation, die sich für die Interessen der Bäuerinnen und Bauern im Kanton St. Gallen einsetzt. Sie unterstützt ihre Mitglieder in rechtlichen Fragen, bietet optimierte Versicherungen an und vertritt politische Anliegen. Darüber hinaus informiert der Verband die Öffentlichkeit über landwirtschaftliche Themen und publiziert wöchentlich eine Fachzeitschrift. Mehr Informationen: bauern-sg.ch.
(Bildmontage: Die Ostschweiz/Bilder: PD, Depositphotos)
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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