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Das Interesse für Frauenfussball wecken

Von der Spielerin zur Projektleiterin: Céline Bradke über ihre neue Rolle an der Frauenfussball EM in St.Gallen

Können wir es besser als Deutschland? Die EM 2024 ist Geschichte – bereits im nächsten Jahr wird St.Gallen eine Host City der Frauen Fussball EM 2025 sein. Projektleiterin Céline Bradke über ein hochgestecktes Ziel, Grössenunterschiede und Nati-Star Alisha Lehmann.

Manuela Bruhin am 21. Juli 2024

Emotionen, eine Achterbahnfahrt der Gefühle, Frust, Freude, Schmerz: Fussball sorgt für ordentlich Emotionen. Dass der Frauenfussball dabei jedoch demjenigen der Männer nach wie vor hinterherhinkt, ist kein Geheimnis. Auch wenn vielerorts Bestrebungen da sind, das Interesse zu wecken und zu fördern, ist der Weg zur sportlichen Gleichberechtigung kein leichter. Grossevents wie die Frauen Fussball Europameisterschaft 2025 kommen da wie gerufen. Und passenderweise lautet der Slogan für die Frauen-EM 2025: Summit of Emotions – Gipfel der Emotionen.

St.Gallen wird eine von insgesamt acht Host Cities sein. Céline Bradke hat das Amt der Projektleiterin von ihrem Vorgänger Roger Hegi übernommen, welcher aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat. Im Gespräch erzählt die ehemalige FC Staad und FCSG-Spielerin, weshalb die Schweiz in einigen Bereichen hinterherhinkt, worauf sie sich am meisten freut – und welche Knacknuss sie besonders herausfordert.

Céline Bradke, vor fast einem Jahr hatte Roger Hegi in einem Teilzeitpensum die Projektleitung der Frauen Fussball EM 2025 in der Host City St.Gallen übernommen. Wie gross ist für Sie der Schritt von der Co-Projektleiterin zur Projektleiterin?

Was die Verantwortung betrifft, natürlich ein grosser. Beim operativen Geschäft hingegen habe ich bereits gemeinsam mit Roger Hegi an den Projekten gearbeitet. Von Anfang an hat er mir viele Aufgaben übertragen – und so kann ich sie nun weiterführen.

War es für Sie gleich klar, dass Sie die Leitung übernehmen werden?

Ich habe mir den Schritt gut überlegt. Würde auch eine jüngere Projektleiterin mit 24 Jahren gut akzeptiert werden? In den vergangenen Monaten habe ich das gesamte Umfeld kennengelernt. Sowohl die Mitarbeitenden in St.Gallen und auch bei der UEFA machen einen super Job. Die Zusammenarbeit funktioniert bestens – ich bin also nicht alleine, sondern habe viele Menschen im Rücken. Auch deshalb traue ich mir die neue Aufgabe zu.

Es dauert noch ein knappes Jahr, bis der Anpfiff erfolgt. Wie stehen die Vorbereitungen derzeit?

Die spannende Phase wird nun eingeläutet. Bisher waren wir in der Findungsphase, das Team wurde zusammengestellt – sowohl regional wie auch national. Nun geht es darum, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen, damit wir die Begeisterung für den Anlass wecken können.

Die EM in Deutschland ist seit wenigen Tagen Geschichte. Kann man die Welle quasi mitnehmen für Ihre jetzige Arbeit?

Es hat sich natürlich bemerkbar gemacht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der UEFA bei der EM in Deutschland sehr involviert waren. Dennoch war der Kontakt stets sehr gut. In der Bevölkerung merken wir, dass die Lust auf Fussball da ist. Und wir konnten in den vergangenen Wochen einen Augenschein vor Ort nehmen: Wie haben die Restaurants auf die EM reagiert, wie wurden die Public Viewings gehandhabt, wo gab es welche Fanartikel zu kaufen?

Und, zu welchen Erkenntnissen sind Sie gekommen?

Vieles ist bereits sehr gut gelaufen. Dennoch wollen wir noch einen Zacken mehr, da St.Gallen ja eine Host City und der Kybunpark im Juli 2025 ein Austragungsort von drei Gruppenspielen sein wird. Wir wünschen uns sehr, dass die Frauen-Nati gut performt und sie vor dem Heimpublikum so richtig Emotionen wecken kann.

Wird die Schweizer Nati in St.Gallen spielen?

Leider nein. Sie wird in den grössten Stadien der Schweiz spielen, damit möglichst viele Schweizerinnen und Schweizer live zugegen sein können. Natürlich hätten wir die Schweizer Nati gerne in St.Gallen gehabt, doch wir sind uns sicher, auch die Begeisterung für andere Länder generieren zu können.

Welche Länder würden Sie sich wünschen – hätten Sie einen Favoriten?

Deutschland oder Österreich wären für uns als Grenzregion natürlich toll. Wer es schlussendlich sein wird, wissen wir aber noch nicht. Wir freuen uns auf alle Nationen und werden allen Teams eine Top-Infrastruktur und Atmosphäre bieten.

Was würden Sie als die grösste Knacknuss in der Vorbereitung beschreiben?

Wir haben lediglich drei Gruppenspiele in St.Gallen und entsprechend ein kleineres Budget als andere Host Cities. Die Vorgaben sind dennoch die gleichen. Ich arbeite als einzige im Team vollamtlich für die EM 2025. Entsprechend sind also alle noch zusätzlich in ihren Jobs und Tätigkeiten engagiert, was die Koordination nicht unbedingt vereinfacht. Auch die knappe Zeit ist eine Herausforderung. In zwei Jahren eine Frauen-EM auf die Beine zu stellen, ist nicht einfach. Aber es macht die Arbeit auch sehr spannend und lehrreich.

Sie haben es vorhin gesagt, dass die Frauen-EM dafür genutzt werden soll, das öffentliche Interesse auf den Frauenfussball zu lenken. Wie entwickelt sich der Frauenfussball Ihrer Meinung nach?

Nach wir vor hinkt der Frauenfussball demjenigen der Männer hinterher. Zwar ist die Aufmerksamkeit gestiegen – Männerfussball wird jedoch wohl immer noch als das «Original» angesehen. Im Frauenfussball liegt ein enormes Potenzial. Und das gilt es, zu nutzen. Gerade im Bereich des Mädchenfussballs bemerken wir eine grosse Beliebtheit. Vergleichen wir den Frauenfussball mit dem Ausland, gibt es deutliche Unterschiede. Dort ist man bereits weiter.

Wie wollen Sie die Frauen-EM für sich nutzen?

Wir verfolgen ein hochgestecktes Ziel: Wir wollen eine ausverkaufte UEFA Women’s Euro 2025. Das wäre eine Premiere. Es wird nicht einfach sein. Doch wir sind guten Mutes, den Traum wahrwerden zu lassen. Die EM soll dem Mädchen- und Frauenfussball zudem einen Schub und Fortschritt von zehn Jahren verschaffen.

Welche Initiativen planen Sie, um das Bewusstsein und die Begeisterung für Frauenfussball in der Region St.Gallen und darüber hinaus zu steigern?

In vielen Regionen spüren wir bereits die grosse Nachfrage im Bereich des Mädchenfussballs. Doch damit wir den Anforderungen gerecht werden können, braucht es mehr Trainerinnen, Schiedsrichterinnen und nicht zuletzt auch Teams.

Welche Rolle übernehmen dabei Aushängeschilder wie Alisha Lehmann?

Die Zusammenarbeit mit den Schweizer Nati Spielerinnen verläuft sehr gut. Alle zeigen sich sehr kooperativ, und wollen zusammen Grosses erreichen. Schlüsselfiguren wie Alisha Lehmann sind dafür natürlich sehr hilfreich. Sie nimmt sich beispielsweise nach einem Match eine Stunde Zeit, um Fotos mit den Fans zu machen. Die Nähe zu den Spielerinnen ist genau das, was es ausmacht, und fördert das Interesse.

Weshalb tut sich der Frauenfussball überhaupt so schwer?

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Früher hiess es klar: Mädchen spielen nicht Fussball. Auch gab es damals nicht genug Mädchenteams. Regional gibt es das Problem übrigens nach wie vor. Auch in der Stadt St.Gallen wurden neben dem FC St.Gallen relativ spät Mädchenteams generiert. In Zürich beispielsweise gibt es dafür lange Wartelisten. Auch hier müssen wir es schaffen, die Effizienz zu steigern und den Zugang zu erleichtern. Dafür ist auch die Zusammenarbeit mit den Schulen hilfreich. Tendenziell kamen und kommen Jungs früher in Kontakt mit Fussball.

Sie haben lange selbst beim FC Staad und dem FCSG gespielt. Auch heute stehen Sie noch selber auf dem Platz. Welche Erfahrungen haben Sie persönlich gemacht?

Die Anforderungen sind gestiegen. Es ist fast nicht mehr möglich, neben des Spitzenfussballs 100 Prozent arbeiten zu können. Wenn es entsprechend entlöhnt werden würde, wäre das nicht das Problem. Doch das ist noch nicht der Fall. Ich merke zwar, dass Frauenfussball verstärkt akzeptiert wird. Dennoch sind beispielsweise die Spieler des FCSG deutlich berühmter. Kaum jemand kennt eine FCSG-Spielerin beim Namen. Unsere Zielgruppe sind die Familien. Wir müssen Anreize schaffen, dass sich die Zuschauerzahlen bei den Spielen erhöhen.

Ist es nicht auch ermüdend, ständig um die gleichen Rechte wie im Männerfussball kämpfen zu müssen?

Das ist das Los des Frauenfussballs (lacht). Wir müssen dafür kämpfen, die gleichen Garderoben oder Bälle wie die Männer benutzen zu können. Die Zusammenarbeit mit dem FCSG funktioniert bereits sehr gut. Wir sind ein Team von vier bis fünf Frauen in der Region, die den Frauenfussball vorantreiben wollen und pushen uns gegenseitig. Wir sind froh, aufeinander zählen zu können und motivieren uns, wenn es mal nicht ganz so rund läuft.

Die nackten Zahlen beschreiben es eigentlich ganz gut. Für die EURO 2008 der Männer wurden 80 Millionen Franken gesprochen. Für die Frauen-EM waren eigentlich 15 Millionen Franken vorgesehen, vier Millionen Franken wurden zunächst gesprochen. Es brauchte die Unterstützung von National- und Ständerat, damit es mit den 15 Millionen Franken doch noch klappte. Das ist symptomatisch für den Frauenfussball. Aber auch das packen wir.

Kommen wir zu den schönen Aspekten: Worauf freuen Sie sich am meisten?

Ich würde mich riesig freuen, wenn wir in St.Gallen ein richtiges Fussballfest feiern können. Und vielleicht sogar Leute begeistern, die noch nie ein Spiel der Frauen gesehen haben. Und klar, natürlich freuen wir uns, wenn die Spiele vor ausverkauften Rängen stattfinden. Langfristig geht es uns vor allem um den Mädchen- und Frauenfussball: Wir wollen das Interesse daran steigern – ob uns das gelingt, wird jedoch nicht sogleich messbar sein, sondern sich in den nächsten Jahren zeigen.

(Bilder: Depositphotos/pd)

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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