Die Studie überrascht: Das stationäre Ladengeschäft wird von vielen gegenüber dem Online-Handel wieder bevorzugt. Eine fachliche Beratung hat an Bedeutung gewonnen – und der Preis ist nicht immer matchentscheidend.
Die Jacke bequem zu shoppen, während man auf dem heimischen Sofa die Füsse hochlegt. Einkaufen, ohne das quengelnde Kleinkind mitschleppen zu müssen. Preise zu vergleichen, und schliesslich beim günstigsten zuschlagen zu können: Die Pandemie hat das Online-Shopping so richtig gepusht. Als die Geschäfte ihre Türen geschlossen halten mussten, oder man keine Lust auf Menschenansammlungen hatte, wurden die meisten zum «Online-Shoppinger». Und sind es teilweise geblieben, auch wenn die Geschäfte wieder normal geöffnet waren.
Nun überrascht jedoch die Studie der Universität St.Gallen. Diese kommt zum Schluss, dass das Einkaufen im Laden beliebter geworden ist. Das stationäre Ladengeschäft hat den Online-Shop als bevorzugten Einkaufskanal in der DACH-Region 2024 wieder abgelöst. Die Befragten präferieren vermehrt den Besuch eines Geschäfts.
Neue Aktionen
Eine Trendbewegung, die in der Ostschweiz durchaus zu spüren ist, wie eine Umfrage zeigt. «Das Ergebnis ist nicht überraschend, aber äusserst positiv zu werten», sagt Felix Keller, Geschäftsführer Kantonaler Gewerbeverband St.Gallen (KGV).
Gerade die Stadt St.Gallen muss sich den Vorwurf des «Lädelisterbens» in regelmässigen Abständen gefallen lassen. Dieser sei jedoch nicht angebracht, hält Keller fest. Die Innenstadtgeschäfte seien in der Vereinigung Pro City St.Gallen organisiert. Sie würden sich immer wieder neue Aktionen wie beispielsweise das «Stadtabenteuer», mit denen sie Kunden auf neuen Wegen erreichen, überlegen. Das «Lädelisterben» habe sich abgeflacht. «Es entstehen neue Pop-up Stores oder Projekte wie das Café Olé, das Krippe und Co-working-Space vereint. Aus meiner Sicht lebt die Stadt St.Gallen.» Jetzt sei es wichtig, dass die Politik die Rahmenbedingungen für die Gewerblerinnen und Gewerbler nicht verschlechtere. «Die gute Stimmung muss weitergetragen werden», so Keller.
Rückläufige Zahlen
Auch die Shopping Arena verzeichnet derzeit Rekord-Zahlen. «Wir konnten 2023 sowohl den Gesamtumsatz als auch die Besucherfrequenz gegenüber dem Vorjahr noch einmal steigern», sagt Remo Hungerbühler, Marketingleiter der Shopping Arena. «Egal ob fürs Shopping, den Besuch im Kinderparadies, oder um sich mit Freunden auf einen Kaffee zu treffen – die Lust der Menschen für einen Besuch in der Shopping Arena ist weiterhin ungebrochen.» Überraschend komme das nicht, denn bereits 2022 konnte man einen Anstieg der Kundenfrequenz feststellen.
Doch was macht die Shopping Arena anders als die Konkurrenz? Viele umliegende Shopping-Malls tun sich schwer und verzeichnen rückläufige Zahlen. Die Shopping Arena befindet sich an einem stark frequentierten Standort, welcher über die Autobahn und mit dem öffentlichen Verkehr sehr gut erreichbar ist. Zudem verfügt die Shopping Arena über ein grosses Parking und über 60 Elektroladestationen. Allesamt Gründe, welche für den Erfolg sprechen würden, so Hungerbühler. «Das vielfältige Angebot an Geschäften, Restaurants und Dienstleistungen stellt einen attraktiven Mietermix für verschiedene Zielgruppen dar.»
Der Laden um die Ecke
Erfolgreiche Zeiten verspüren auch die Fachgeschäfte Thurgau. Seit der Corona-Pandemie wurde festgestellt, dass das lokale Gewerbe und der Laden um die Ecke wieder mehr geschätzt werden, sagt Präsident Matthias Hotz. «Unsere Kunden setzen auch wieder vermehrt auf Qualität und lokalen Bezug der Produkte.»
Der Einkaufstourismus sei während der Corona- Pandemie aufgrund der geschlossenen Grenzen sehr stark zurückgegangen und befände sich noch immer nicht auf dem Niveau wie vor der Pandemie. «Die Kunden schätzen wieder die Beratung vor Ort», so Hotz.
Steigende Kosten
Weiter zeigt die Studie, dass sich im Vergleich zu 2021 stationäre Läden in der preislichen Wahrnehmung verbessern konnten. Überrascht diese Aussage angesichts der steigenden Preise? Man stelle fest, so Hotz, dass die Kunden in den Fachgeschäften vermehrt gute Beratung verbunden mit entsprechend qualifizierten Dienstleistungen suchen. «Der Preis kommt dabei nicht an erster Stelle.» Kommen also steigende Lieferkosten für Online-Einkäufe oder Lieferkettenprobleme «zu Hilfe», um das stationäre Ladengeschäft wieder beliebter zu machen? Hotz: «Gemäss einer aktuellen Umfrage bei unseren Mitgliedern ist der Einfluss des Online-Handels bei unseren Fachgeschäften bereits seit dem Jahr 2019 stetig leicht abnehmend.»
Gestiegenes Bedürfnis
Eine bessere Preiswahrnehmung im Einzelhandel könne damit zusammenhängen, dass Zusatzleistungen rund um das Produkt, wie beispielsweise ein guter Kundenservice oder das Einkaufserlebnis an sich, wieder an Relevanz zugenommen hätten, sagt Hungerbühler. «Infolge von Inflation und erhöhten Rohstoffpreisen waren viele Onlinehändler gezwungen, Preisanpassungen analog zum Einzelhandel vorzunehmen. Die Preissensivität im Onlinehandel ist jedoch höher als im Einzelhandel, was im Hinblick auf das gestiegene Bedürfnis nach persönlichem Kontakt nach der Pandemie wiederum zu einer verbesserten Preiswahrnehmung geführt haben könnte.»
Die tendenziell rückläufige Branchenentwicklung im Onlinehandel, vor allem bei der Heimelektronik und im Fashionbereich, könne eine Rolle spielen, da die Shopping Arena eine Vielzahl an Fashionmietern und Heimelektronikhändlern besitze. Dabei steht die Stadt St.Gallen in keiner direkten Konkurrenz zur Shopping Arena. «Wir sehen uns als Teil der Stadt und wirken auch an der SANKT-Kampagne der Standortförderung St.Gallen mit, um die Attraktivität der gesamten Region zu steigern», sagt Hungerbühler.
Wichtige Bedürfnisse
Dass die Erreichbarkeit ein grosser Wettbewerbsfaktor ist, erklärt auch Keller. Die Gestaltung des Verkehrs – egal ob motorisierter Individualverkehr oder ÖV – sei für die Innenstadt ein zentrales Thema. «Je besser das Angebot, desto grösser die Anzahl Kunden. Eine lebendige Innenstadt ist die Lebensader für die Wohn- und Arbeitsstadt St.Gallen.»
Für alle drei Befragten ist klar: Online-Handel kann sich mit dem stationären Geschäft konkurrenzieren. Künftig wird aber wohl das hybride Einkaufen an Bedeutung gewinnen. «Sowohl der online als auch der stationäre Handel muss herauszufinden, welche Kundengruppen gezielt angesprochen werden müssen und welche Bedürfnisse für welche Kundengruppe wichtig ist», sagt Hungerbühler.
Ob persönliche Beratung oder Erlebnisshopping, die Stärken vom stationären Handel müssten stetig ausgebaut werden. «Zeitgleich können aber auch Schwächen abgebaut werden, indem der Onlinehandel mit dem stationären Handel verknüpft wird. Dazu gehören kanalübergreifende Lösungen wie Click and Collect oder Bestellung von vergriffenen Artikeln direkt im Ladengeschäft.»
Es gibt Geschäfte, die Wert auf ausgesuchte Marken legen, die online nicht so einfach erhältlich sind, sagt Keller. Und auf der anderen Seite bauen viele Geschäfte die Beratungskompetenzen und Serviceleistungen aus. «So werden sie zum Beispiel im Geschäft über die technischen Vorteile des Fernsehers beraten, dieser wird in die Wohnung geliefert, installiert und zum Abschluss wird die Verpackung und das alte Gerät entsorgt.» Weiter nennt er ein Beispiel aus dem Kleiderladen, wo die neuen Jeans innert zwei Stunden auf die perfekte Länge abgeändert werden. «Das sorgt für Kundenbindung und auf dieser personalisierten Ebene kann der Online-Handel nicht mithalten.»
(Bilder: Depositphotos/PD, vlnr: Matthis Hotz, Remo Hungerbühler, Felix Keller)
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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