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«Ehe für alle»: Referendum schwächelt

«Wer abweicht, wird von den sogenannten Toleranten angefeindet»

Dass aus den Plänen für eine «Ehe für alle» eine Volksabstimmung wird, ist aktuell eher fraglich. Das Referendum gegen das Anliegen hat noch zu wenig Unterzeichner. Der Ausserrhoder SVP-Nationalrat David Zuberbühler legt sich nun dafür ins Zeug – und setzt sich bei einigen damit in die Nesseln.

Stefan Millius am 08. März 2021

Die Uhr tickt. Bis zum 10. April 2021 muss das Referendumskomitee «Nein zur Ehe für alle» 50'000 Unterschriften zusammenbringen, damit das Referendum zustande kommt. Beziehungsweise: In der Praxis noch mehr, da die Unterschriften beglaubigt sein müssen und erfahrungsgemäss ein gewisser Prozentsatz bei der Prüfung durchfällt.

Die parlamentarische Initiative fordert, dass alle rechtlich geregelten Lebensgemeinschaften für alle Paare geöffnet werden, «ungeachtet ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung.» Das heisst: Auch gleichgeschlechtliche Paare sollen heiraten können, und ungleichgeschlechtliche Paare sollen eine eingetragene Partnerschaft begründen können.

Das Referendum verlangt nun, dass die Gesetzesänderung an die Urne kommt. Bisher ist aber erst die Hälfte der nötigen Unterschriften gesammelt worden; das war jedenfalls der Stand am 20. Februar, als das Komitee Alarm schlug in einem «dringlichen Schreiben». Darin wird aufgerufen, die verbleibenden Wochen zur Sammlung der fehlenden Unterschriften zu nützen.

Das tut nun auch der Ausserrhoder SVP-Nationalrat David Zuberbühler, und zwar in einem Blogbeitrag auf der Webseite der SVP Schweiz. Und das, obschon sich seine Partei nicht im Referendumskomitee engagiert. Der Schritt erfolge «in Absprache mit der Parteileitung», hält Zuberbühler fest. Die SVP habe sich «als einzige Grosspartei gegen die Vorlage gewehrt» und sei zudem mit zahlreichen seiner Kolleginnen und Kollegen im überparteilichen Komitee vertreten.

Dem Herisauer ist bewusst, dass ihm sein aktives Eintreten für das Referendum nicht nur Freunde einbringen wird. Das Thema ist mit vielen Emotionen verbunden, und den Gegnern der «Ehe für alle» wird vorgeworfen, zu den Ewiggestrigen zu gehören.

David Zuberbühler

David Zuberbühler.

Im Gespräch mit David Zuberbühler über die Erfolgsaussichten des Referendums und seine persönlichen Argumente gegen die «Ehe für alle».

David Zuberbühler, woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass die Unterschriftensammlung eher harzig verläuft? Und wird es überhaupt noch reichen?

Wer heute Unterschriften für ein Referendum oder eine Initiative sammelt, muss einige Hürden überwinden. Wegen Corona sind Unterschriftensammlungen auf der Strasse schwieriger geworden. Die Menschen haben die neuen Abstandsregeln verinnerlicht oder oft andere Sorgen, als sich um Referenden oder Initiativen zu kümmern. Auch eine gewisse Politikverdrossenheit ist feststellbar, da Volksentscheide in Bern nur teilweise oder gar nicht mehr umgesetzt werden. Bis zum 10. April sind 50'000 gültige Unterschriften nötig, damit das Stimmvolk über «Ehe für alle» abstimmen kann. In den letzten Tagen wurden laut Referendumskomitee wieder deutlich mehr Bögen eingeschickt, die Hälfte der Unterschriften ist unterdessen zusammen. Wenn alle Unterstützer engagiert dranbleiben, ist es zu schaffen.

Angesichts des Zwischenresultats könnte man ja auch schlussfolgern: Die Ehe für alle scheint die Menschen nicht wirklich zu beschäftigen?

Wer die «Ehe für alle» und den Samenspende-Zugang aus moralischer Überzeugung ablehnt, wer sich Sorgen macht, dass ein Kind «auf Bestellung» früher oder später Fragen stellen wird und wer glaubt, dass das unsere Gesellschaft noch vor grössere Probleme stellen wird, der wird heute oft als Ewiggestriger degradiert. Dies zeigt vor allem eines: Das LGBT-Lobbying hat sich stark auf die öffentliche Meinung ausgewirkt. Wer eine abweichende Meinung vertritt, wird von den sogenannt Toleranten teilweise massiv angefeindet. Dies hält viele davon ab, öffentlich zu ihrer Meinung zu stehen, obwohl sie das Thema sehr wohl beschäftigt. Das Zustandekommen des Referendums ist deshalb umso wichtiger, weil dann – ohne Angst vor Degradierung – die persönliche Stimme abgegeben werden kann.

Sie bemängeln «Zwängerei und Einschüchterungsversuche» im Zusammenhang mit dem Referendum. Was meinen Sie damit genau?

Die Vorlage war von Nationalrätin Kathrin Bertschy ursprünglich korrekterweise als Antrag auf Änderung der Verfassung eingereicht worden. Dass National- und Ständerat umgeschwenkt sind und das Ganze trotz Rechtsgutachten auf Gesetzesebene und damit am Ständemehr vorbei durchzudrücken versuchen, ist aus meiner Sicht eine verfassungswidrige Zwängerei. Die Einschüchterungsversuche zeigen sich darin, dass die LGBT, mit Unterstützung vieler Mainstreammedien, die Befürworter der Ehe von Mann und Frau mit der Diskriminierungskeule traktiert und mediale Shitstorms lostritt. Immer häufiger wird dabei nicht auf das Argument, sondern auf die Person geschossen. Was viele dazu bringt, sich nur noch im engsten Kreis ehrlich zu äussern.

Sie argumentieren unter anderem damit, dass die Schweiz eine «familiäre Stabilität» braucht, wie Sie es nennen. Man kann ja nach wie vor konventionell zwischen Mann und Frau heiraten, inwiefern sorgt die geplante Änderung für Instabilität?

Die Verbindung von Mann und Frau hat sich über Jahrhunderte als stabilisierender Faktor bewährt. Dass Kinder idealerweise bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen, bestätigen die Erfahrungen aus dem Pflege- und Adoptivkindbereich. Oft wird behauptet, wenn ein Kind liebende Eltern hätte, dann spiele die biologische Herkunft keine Rolle. Das ist eine Illusion. Viele Spender- und Adoptivkinder versuchen mit grossem Aufwand, mehr über ihren genetischen Vater bzw. ihre Eltern zu erfahren und diesen oder diese kennenzulernen. Früher oder später führt das bei vielen Heranwachsenden zu massiven Identitätsproblemen. Kindern ihren Vater mit Absicht vorzuenthalten, ist aus meiner Sicht ein Verstoss gegen das Kindeswohl sowie ein Affront gegen alle engagierten Väter in unserem Land.

Sie bezeichnen die Ehe zwischen Mann und Frau als «staatstragende Norm». Staatstragend: Ist das nicht ein bisschen übertrieben?

Das Recht auf Ehe ist ein in unserer Verfassung verankertes Grundrecht. Seit Jahrhunderten ist es auch kein Zufall, dass mit der Ehe die auf Dauer angelegte Beziehung zwischen Mann und Frau gemeint ist. Nach Ansicht des Verfassungsgebers ist die Familie das ideale Umfeld für das Heranwachsen von Kindern, ohne die auf Dauer keine staatliche Gemeinschaft existieren kann. Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau liegt darin, dass sie – quasi als Keimzelle des Staates – Vorstufe zur Familie und somit staatstragend ist. Dass dieses nicht nur durch die Corona-Einschränkungen, sondern auch durch verschiedene Schikanen in der Ausübung des demokratischen Grundrechtes auf Referendumsergreifung behindert wird, ist inakzeptabel. Mit vereinten Kräften wird es jedoch möglich sein, die noch fehlenden Unterschriften zu generieren.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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