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Stadtpolitik

Wiler Kulturlokal: Wird der Gare de Lion zur politischen Wegmarke?

Der Gare de Lion ist sanierungsbedürftig. Die Gegner der Umbauvorlage sprechen von einem überteuerten Luxusprojekt. Das Eventlokal könnte zum willkommenen Argument für parteipolitische Auseinandersetzungen werden.

Adrian Zeller am 01. April 2024

Die «Mitte/Links/Grüne Steuergeldvernichtungsmaschinerie» sei einmal mehr voll im Einsatz, kommentierte ein Stadtparlamentarier die Sanierung des Gare de Lion. Was veranlasst das SVP-Mitglied zu so einem harschen Kommentar?

Mitte Februar 2024 stimmte das Wiler Stadtparlament einer Vorlage zur sogenannten betrieblichen und baulichen Ertüchtigung des Gare de Lion in der Höhe rund 4,3 Millionen Franken zu. Für die Sanierung ist das städtische Department Bau, Umwelt und Verkehr (BUV) zuständig, Vorsteherin ist Stadträtin Ursula Egli (SVP).

Keine Volksabstimmung

Nach einer längeren Debatte stimmte das Parlament mit 30 Ja, 8 Nein, 2 Enthaltungen dem Projekt zu. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass der Verein Kulturzentrum Wil, der den Gare de Lion betreibt, 230 000 Franken selber beschaffen muss.

Im unmittelbaren Anschluss an die Abstimmung verlangte Stadtparlamentarierer Andreas Hüssy (SVP) das Ratsreferendum. Mit dessen Annahme wäre es zu einer Volksabstimmung über den Sanierungskredit gekommen. Sein Antrag wurde von der Mehrheit des Parlaments abgelehnt.

Unterschiedliche Sichtweisen

Die Sanierung des Konzertlokals ist für die einen politischen Akteure ein «Luxusprojekt rot-grüner Kreise». Für andere ist es eine längst überfällige Investition, um die Fortführung des Betriebes nicht zu gefährden.

Anstehende Investitionen in verschiedene städtische Projekte sind derzeit in Wil von besonderer Brisanz: Es geht um die Beibehaltung oder Senkung des Steuerfusses.

Steuersenkung gefordert

Anlässlich der letzten Budgetdebatte ergriffen die SVP und die FDP erfolgreich das Ratsreferendum. In der Folge werden die Wiler Stimmberechtigten am 14. April 2024 darüber entscheiden, ob der aktuelle Steuerfuss bei 118 Prozent bleibt, oder aber auf 115 Prozent gesenkt werden soll.

Die Ausgaben für die Ertüchtigung des Gare de Lion sind für die Befürworter der Senkung eine willkommenes Bespiel für den kritisierten leichtfertigen Umgang des Stadtrates sowie Teilen des –parlaments mit Steuergeld. Diesen brandmarkte kürzlich der Wiler SVP-Parteipräsident Hüssy in einer Zeitungskolumne.

Die Kontroverse um die Sanierung des Gare de Lion wird zum polarisierenden Argument im Abstimmungskampf. Zudem stehen im Herbst Erneuerungswahlen für den Stadtrat an: Aller Voraussicht nach wird dann die «Mitte/Links/Grüne Steuergeldvernichtungsmaschinerie» zu einem zentralen Thema.

Ergebnis von Jugendunruhen

Der Gare de Lion in nächster Nähe zum markanten Getreidesilo beim Wiler Bahnhof ist das Ergebnis von jugendlichen Forderungen nach Freiräumen für alternative Kulturformen in den achtziger Jahren. In Wil machte sich der Verein Kulturlöwe für ein entsprechendes Projekt stark. Nachdem zwei verschiedene Objekte vom Stadtrat bzw. von der Stimmbevölkerung zur Umnutzung abgelehnt worden waren, wurde ab März 1989 ein ehemaliger Bahnschuppen von jugendlichen Kulturaktivisten in Fronarbeit zu einem Musiklokal umgebaut. Mittlerweile hat es überregionale Austrahlung.

Generationenwechsel

Um die Zeit von Weihnachten 1989/90 startete das erste Veranstaltungsprogramm, darin waren Konzerten, Feste, Filmnächte und Theatervorstellungen enthalten. Ab 2008 wandelte sich innerhalb eines Generationenwechsels die ursprünglich Remise zum heutigen Gare de Lion.

Einsatz von Freiwilligen

Sechzig bis neunzig Anlässe finden pro Jahr statt. Pro Event stehen rund ein Dutzend Helferinnen und Helfer im Einsatz. Die jungen Frauen und Männer stehen hinter der Bar oder am Mischpult, betreuen die Garderobe, sorgen für die Sicherheit, halten den Event mit der Fotokamera fest oder reinigen die Räume.

Altersbedingte Schäden

In den letzten Jahren machen sich Mängel in der Infrastruktur deutlich bemerkbar, seit der Gründung des Kulturlokals wurde sehr wenig in den Gebäudeunterhalt investiert. Die Platzverhältnisse sind sehr beengt, Büroräumlichkeiten dienen zugleich als Lager. Bei Regen dringt durch einzelne Ritzen Wasser ein. Einzelne Räume sind in den Wintermonaten kaum geheizt und zum Teil nicht isoliert. Zum Bespiel besteht der Aufenthaltsraum der Künstler direkt neben der Bühne aus einem dem Gebäude angebauten Container. Er wurde mit Spanplatten ausgekleidet.

Ein Heizstrahler sorgt für ein wenig Behaglichkeit. Die erheblichen Temperaturunterschiede und die eindringende Feuchtigkeit bekommen den zahlreich vorhandenen technischen Geräten in der Liegenschaft nicht. Im Gastrobereich lauern betrieblichen und hygienischen Herausforderung. Damit ist die Liste der aktuellen Schwächen in der Infrastruktur nicht vollständig.

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Autor/in
Adrian Zeller

Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.

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