Der grüne Ständeratskandidat Patrick Ziltener ist eine Art «verlorener Sohn» der Stadt St.Gallen. Er war lange weg. Nun will er zurück. Und wie.
Es ist ein Coup. Aber keiner auf den ersten Blick. Die St.Galler Grünen wollen mit einem Mann in den Ständerat, der politisch unbekannt ist und viele Jahre im Ausland verbracht hat, sich sein Netzwerk also nicht hier aufgebaut hat. Das scheint eine unmögliche Mission. Es ist lange her, dass Patrick Ziltener hier aufgewachsen ist, auch wenn er inzwischen wieder in der Stadt wohnt.
Unmöglich: Dasselbe dachte man einst auch über Zilteners Vater. Erich Ziltener, 2014 zu früh verstorben, war Lehrer, CVP- (und CSP-)Mitglied und unbequemes Mitglied des damaligen Gemeinderats, heute Stadtparlament. 1988 wurde er in den Stadtrat gewählt - als wilder Kandidat, gegen den offiziellen CVP-Anwärter.
Es folgten zwölf schwere Jahre für die bürgerliche Seite. Erich Ziltener übernahm das Baudepartement, und er hinterliess seine Handschrift. Er galt als vieles: Autofeindlich, gewerbefeindlich, trotz CVP-Mitgliedschaft als links-grün. Aber die Stimmbevölkerung stellte sich bei jeder Wahl hinter ihn.
Vielleicht nicht zuletzt, weil Ziltener bei allen Attributen, die man ihm gab, eben auch anders war: Hochinteger, mitreissend, grundehrlich. Er war kein Politiker. Er spielte keine Spielchen. Er initiierte und kämpfte für das, was er für richtig hielt. Eine Ausnahmefigur in der St.Galler Politik.
Die Nomination seines Sohnes ist ein kleiner Geniestreich. Die Grünen scheren zwar aus in der Frauenfrage. Mit ihrem Kandidaten wäre die St.Galler Ständeratsdelegation ein reines Männergremium. Aber der scheinbar unpolitische Ziltener bringt einen enormen Rucksack in den Themen mit, die für viele als zentral für die Zukunft gelten: Nachhaltigkeit, Ökologie, Energie, Globalisierung. Er war für das Seco an den bilateralen Verhandlungen beteiligt und vieles mehr.
Und er hat keine erkennbare «grüne Vorgeschichte». Keiner kann ihm vorwerfen, seine Positionen aufgrund eines Parteibuchs zu vertreten. Er arbeitet seit vielen Jahren in den erwähnten Bereichen.
2013 kehre er nach St.Gallen zurück. Und hat bisher nicht nennenswert auf sich aufmerksam gemacht. Man könnte sagen, dass er aus dem Nichts kommt, was die Ständeratswahl angeht. Aber in diesem Nichts hat er keineswegs nichts gemacht.
Möglich, dass diese Kandidatur einige anspricht, die keine Lust haben auf den klassischen Kandidaten (Benedikt Würth) und auf die Kandidatin, die nicht zuletzt einer gewissen Personalnot der FDP entsprungen ist (Susanne Vincenz-Stauffacher). Ziltener wirkt nicht ideologisch verblendet, auch wenn seine Positionen sicher auch Leuten mit diesem Prädikat entspringen. Und gerade weil seine Biografie ganz anders ist als die eines typischen Ständerats, könnte sie viele anziehen.
Eine Wahl des Grünen wäre ein kleines Wunder. Aber aufmischen kann er den Wahlkampf mit Sicherheit. Und sein Vater würde das Ganze vermutlich sehr amüsiert mitverfolgen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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