Wann entstand das erste Bier? Was steckt hinter dem Reinheitsgebot? Und weshalb hätten früher auch jene Personen von uns ein Kloster aufgesucht, die so gar nichts mit Religion am Hut haben?
Gedicht bezeugt Brauvorgang
Das erste Bier entstand wohl schon vor 10'000 Jahren, als die Menschen in China und im Nahen Osten anfingen, Getreide anzubauen. Wahrscheinlich fiel durch einen Zufall auf, dass ein stehengelassener Getreidebrei zu gären beginnt. Die ältesten Beweise für Bier stammen von vor rund 5'000 Jahren: In Zentralchina etwa entdeckten Forscher Brau-Equipment mit Überresten von Jahrtausende altem Bier. Und Tontafeln aus Mesopotamien im heutigen Irak beschreiben den örtlichen Brauvorgang in einem Gedicht an die Gottheit Ninkasi.
Bierrezepte variieren nach Region
Mit der Ausbreitung des Christentums ab dem 5. Jahrhundert entstanden in ganz Europa unzählige Klöster und Klosterbrauereien. Das Kloster St. Gallen besitzt über 50 Urkunden aus dem 8. bis 10. Jahrhundert, die vom Allerweltgetränk zeugen. Damalige Bierrezepte unterschieden sich vor allem aufgrund der verfügbaren Körner: Je nach Region kamen Gerste, Hirse, Mais, Maniok, Reis, Weizen oder Roggen zum Einsatz.
Klöster steigern Einnahmen
Die Klöster dienten Reisenden und Pilgern als Raststätten. Dort erhielten sie Bier, das sättigte und im Gegensatz zu Wasser als gesundheitlich unbedenklich galt. So entwickelten sich Klosterbrauereien allmählich zu einem lukrativen Geschäft. In der Schweiz gibt es heute nur noch eine Klosterbrauerei: die Brauerei Kloster Fischingen im Thurgau. Es handelt sich hierbei um eine moderne Brauerei, eingemietet in einem Benediktinerkloster.
Hopfen ermöglicht Export
Nebst Getreide und Brot enthielt das Bier jedwede Kräuter wie Bilsenkraut oder Stechapfel. Erst im Spätmittelalter entdeckten die Brauer, dass der Hopfen nicht nur Geschmack und Schaum positiv beeinflusst, sondern auch die Haltbarkeit verbessert. Damit ermöglichte das Hanfgewächs erstmals den Export regionaler Biere.
Reinheitsgebot schützt Konsumenten
1516 erliessen die bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. das Reinheitsgebot: «Ganz besonders wollen wir, dass [...] zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen.» Das wohl berühmteste Lebensmittelgesetz sollte die Bürger vor minderwertigen oder sogar schädlichen Zusätzen schützen. Auch sollte es Hungersnöten vorbeugen, indem andere Getreidesorten dem Brotbacken vorbehalten blieben.
Industrialisierung bringt Boom
Die Industrialisierung löste einen regelrechten Bier-Boom aus. Hierzulande hatte gegen Ende des 19. Jahrhunderts fast jede Gemeinde eine eigene Brauerei. Erfindungen wie die Dampfmaschine, die Heissluftdarre und die Kältemaschine steigerten die Produktionskapazitäten und stabilisierten die Qualität. Dank Louis Pasteurs biochemischen Erkenntnissen zur Hefe emanzipierte sich die Braukunst zur Brautechnik.
Bundesrat durchkreuzt Pläne
Um 1900 versuchten Schweizer Brauer, am Erfolg der deutschen Kollegen anzuknüpfen. So boten sie etwa «Bayrisch-Bier» oder «Münchner Bier» an. Auch machten sie sich für ein hiesiges Reinheitsgebot stark, das der Bundesrat jedoch mit Hinweis auf die Handels- und Gewerbefreiheit abschmetterte.
Kartell kontrolliert Bierlandschaft
Auch ohne Reinheitsgebot blieb die hiesige Bierlandschaft aufgrund des Bierkartells von 1935 bis 1991 einheitlich. Die Vereinbarung zwischen fast allen Schweizer Brauereien garantierte, dass die Produkte genormt und die Verkaufspreise reguliert wurden. Nachdem viele Grossbrauereien ausgestiegen waren, ging das Kartell 1991 in die Brüche. Heute zählt die Schweiz rund 700 Brauereien, die allerlei interessante Craftbiere herstellen.
EuGH bekämpft Protektionismus
Im grossen Kanton ist die Bierlandschaft indes auch abwechslungsreicher geworden: Der Europäische Gerichtshof erklärte das deutsche Reinheitsgebot 1987 für ungültig. Der Entscheid fiel, nachdem sich Brauer aus anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft über Protektionismus beklagt hatten. Seither dürfen Importbiere in Deutschland «unrein» sein.
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