Ein Blick in die Vergangenheit.
Die höchstgelegene Brauerei der Schweiz befindet sich in Monstein, einem 200-Seelen-Dorf in den Bündner Alpen.
Das Postauto hält einmal die Stunde in Monstein. Städtern, die hier aussteigen, fallen zwei Dinge sofort auf. Einerseits ist das Dorf auf 1625 Metern komplett abgeschnitten und es fühlt sich an, als ob Metropolen wie Bern, Basel oder Zürich tausende Kilometer entfernt seien. Andererseits ist der kleine Ort unerwartet belebt. Eine Gruppe Arbeiter steht auf dem Dorfplatz; die Männer rauchen, lachen, erzählen sich etwas. Skifahrer und Wanderer ziehen vorbei – aber auch Hündeler, die lediglich kurz Gassi gehen. Im Hotelrestaurant Ducan sitzen Geschäftsleute in Anzügen am Tisch. Dem Dialekt nach zu urteilen, nahmen sie für dieses Meeting eine lange Anreise in Kauf.
Für den Abriss fehlte das Geld
Das Walserdorf Monstein liegt im Bündner Landwassertal, zwischen Filisur und Davos. Die ältesten schriftlichen Zeugnisse des Orts stammen aus dem 13. Jahrhundert; aus der Zeit also, in der viele Walliser auswanderten und andere hochgelegene Talstufen der Alpen besiedelten. Seit dem 17. Jahrhundert zählt Monstein zwischen 100 und 200 Einwohnern. Auch heute leben hier noch rund 185 Menschen. Es gibt zwei Kirchen, eine Schule, Hotels und Restaurants, Schreinereien und Landwirtschaftsbetriebe. Selbst einen Dorfladen mit integrierter Poststelle haben die Monsteiner. Obschon dieser nur vormittags geöffnet hat.
Ein Blick in die Vergangenheit.
Und dann gibt es noch die ehemalige Käserei. Sie wurde mal zu diesem, mal zu jenem Zweck genutzt. Als Wohnung, als Werkstatt. «Schliesslich entschied sich die Gemeinde, das Gebäude abreissen zu lassen, doch das war zu teuer», erzählt Carlo Wasescha. Der Geschäftsleiter der höchstgelegenen Brauerei der Schweiz weiss, wovon er spricht. «Seit 2000 ist die Brauerei BierVision Monstein hier eingemietet.» Eine Win-Win-Situation, wie sich herausstellt. «Politisch gehört Monstein zu Davos», erklärt Wasescha. «Unsere Miete beschert der Fraktionsgemeinde jedoch ein kleines Einkommen, das sie eigenständig verwalten darf.»
Die Bergdörfer schwinden dahin
Carlo Wasescha leitet die Brauerei bereits seit sieben Jahren. Der sympathische Mittdreissiger wohnt selbst nicht im Dorf, nimmt jedoch aktiv am Gemeindeleben teil. Wie der Geschäftsführer sagt, kommen an den Fraktionsversammlungen regelmässig um die vierzig Personen zusammen. «Es ist auch nicht so, als würde alles leer stehen, höchstens mal ein oder zwei Wohnungen.» Die Hälfte der Einwohner verdiene ihren Lebensunterhalt im Dorf selbst, Monstein sei im Gegensatz zu vielen anderen Bergdörfern nicht vom Aussterben bedroht. Das hat wohl auch mit dem grossen Zusammenhalt der Monsteiner zu tun: So macht die Brauerei etwa auf ihrer Homepage auf andere ortsansässige Geschäfte aufmerksam. Umgekehrt nehmen die umliegenden Restaurants auch immer alle neuen Produkte der Brauerei auf. «Wir arbeiten alle eng zusammen», versichert Wasescha.
Das Walserdorf Monstein liegt im Bündner Landwassertal, zwischen Filisur und Davos.
Der gebürtige Bündner studierte Lebensmitteltechnologie an der ZHAW in Wädenswil, arbeitete jahrelang in Bern und kehrte schliesslich wieder zurück in seine Heimat. Selbstverständlich hatte Wasescha im Rahmen seiner Ausbildung mit Bier zu tun, aber nicht besonders intensiv. «Bier hat mir auch immer gut geschmeckt», erzählt der Geschäftsführer. «Aber so richtig entdeckte ich die Liebe zum Gebräu erst, als ich die Stelle hier in Monstein antrat.» Damals habe er erst realisiert, wie unendlich die Vielfalt in puncto Sorten und Geschmäcker, Farben und Aromen sei.
Trübes Bier schmeckt besser
In der Brauerei BierVision Monstein ist die Vielfalt indes ziemlich eingeschränkt. Der Spruch «klein aber oho», trifft es ganz gut. Das Kernsortiment beschränkt sich auf fünf Biere: das helle «Huusbier», die beiden Biosorten «SteinBock-Bier» und «Mungga-Bier», das Weizenbier «Häusträffel» und das Amber «Wätterguoge». Carlo Wasescha empfiehlt in den Sommermonaten besonders das «fruchtige, leichte und erfrischende» Weizenbier, für die kalte Jahreszeit eigneten sich dunklere Sorten wie das Amber. Beim herzigen Namen handelt es sich übrigens um die walliserdeutsche Bezeichnung für die Alpensalamander. Alle Monsteiner Biere sind möglichst naturbelassen, also unfiltriert. Das ist zum einen Tradition. Zum anderen ist trübes Bier gesundheitlich und geschmacklich besser und gemäss Lebensmittelingenieur Wasescha technologisch einfacher herzustellen.
Je nach Saison produziert BierVision Monstein die eine oder andere zusätzliche Bierspezialität, auch brennt die Brauerei pro Jahr rund 150 Flaschen Bierbrände sowie Whiskey. «Wir haben keine Expansionspläne und den harten Alkohol bewerben wir überhaupt nicht», sagt Wasescha. «2010 haben wir die Produktionsstätte erweitert und heute sind wir fast schon wieder an der Kapazitätsgrenze angelangt.»
Coop spendet den Erlös
In Graubünden vertreibt die Brauerei ihre Produkte über viele Detailhändler, Getränkehändler, Hotels und Restaurants. In anderen Kantonen ist Monsteiner Bier selten. Allerdings sind zwei Sorten schweizweit in grösseren Coop-Filialen erhältlich; diese tragen das Pro-Montagna-Label. «Je Flasche spendet Coop 10 Rappen an ihre Stiftung zur Unterstützung der Bergbauern», erläutert Wasescha. Als zusätzlicher Absatzkanal betrieb die Brauerei kurze Zeit auch einen Webshop. Dieser entpuppte sich aufgrund der Portokosten jedoch als unattraktiv, sowohl für die Brauerei selbst als auch für die Bierfans.
Die sogenannten Biererlebnisse vor Ort hingegen laufen gut. Jeden Freitag etwa ist «Sonnenuntergang in Monstein». Bei diesem abendlichen Anlass sind alle willkommen, kostenlos und ohne Voranmeldung. «Es gibt Bier ab Fass für einen Franken pro Deziliter», führt Wasescha aus. «Zusätzlich haben die Gäste die Möglichkeit, verschiedene regionale Delikatessen zu beziehen.»
Die Brauerei lehrt Hobbybrauern das Handwerk
Insgesamt bietet BierVision Monstein neun verschiedene Biererlebnisse an. Um möglichst jedem Gast etwas Passendes bieten zu können, arbeitet die Brauerei mit verschiedenen Unternehmen aus der Region zusammen, darunter die Confiserie Schneider, das Hotelrestaurant Walserhuus und die Schaukäserei Clavadel. Das Angebot reicht von Museumsbesuchen über Kutschenfahrten bis hin zu Pralinen giessen. Die Brauerei bietet sogar ein «Brauseminar» an – für echte Fans, die schon immer mal ihren eigenen Monsteiner trinken wollten. Zusätzlich zum Bier erhalten die Teilnehmer ein Brauerdiplom als Erinnerungsgeschenk.
«Das umfassendste Biererlebnis – und mein persönlicher Favorit – ist das Bier-ABC», sagt Geschäftsführer Carlo Wasescha. «Dieses Kompaktpaket wird auch am häufigsten gebucht.» Inbegriffen ist eine lockere Brauereiführung mit wissenswerten aber auch lustigen Facts zum Herstellungsprozess. Die Besucher erfahren zudem mehr über die Geschichte der Brauerei sowie des Dorfes. Das Team wechselt sich ab: Bald führt Wasescha die Gäste umher, bald die Brauer, die Aushilfen oder die Sekretärin. Die Tour dauert rund anderthalb Stunden. Dazu gibt es Monsteiner Bier à discrétion sowie auf Wunsch eine herzhafte Brauerplatte mit Treberfleisch und -käse. Zum Wohl und an Guata!
Das Kernsortiment beschränkt sich auf fünf Biere.
Tamara Marie Johnson (*1988) ist Fitnessinstruktorin mit eidg. Fachausweis und Marketing Managerin. Sie lebt in Zürich und arbeitet teilweise als Redaktorin für «Die Ostschweiz».
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