Für das Berner Wappen wurden ausschliesslich Berner Biersorten verwendet.
Eher ungewöhnlich: Ein Berner Künstler erstellt Kunstwerke aus Bierdeckeln.
Zuerst definiert Lukas Leibundgut das Sujet seines Kunstwerks. Manchmal gilt es, einen Kunden zufriedenzustellen, oft jedoch kreiert er etwas nur für sich selbst. «Auf einen Auftraggeber zu warten», so der Künstler, «kann die Kreativität hemmen.» Leibundgut legt die nötigen Bierdeckel – oder Kronkorken, wie sie korrekt heissen – aus und geht einen Schritt zurück. «Die Bierdeckel sind die Steine in meinen Mosaiken», erklärt er. «Der Betrachter muss einige Meter Abstand nehmen, damit die Bilder richtig wirken können.»
Ist Leibundgut glücklich mit dem Mosaik, macht er ein Foto davon, ein «Strickmuster», wie er es nennt. Jetzt nimmt er eine gerahmte Holzplatte und bestreicht diese mit einem Haftgrund. Sobald dieser getrocknet ist, trägt der Künstler eine Schicht Fliesenkleber auf und beginnt, die Bierdeckel einzeln in die Masse zu drücken. «Ich arbeite mich immer von links unten nach rechts oben vor», sagt Leibundgut. «So weiss ich immer, wo ich bin.» Er drückt die Deckel ohne zu messen auf. Sein Augenmass genügt, um nahezu perfekte Abstände hinzubekommen. Je nach Grösse des Kunstwerks kann diese Phase eine Stunde oder mehrere Tage in Anspruch nehmen.
Für das Berner Wappen wurden ausschliesslich Berner Biersorten verwendet.
«Aus heutiger Sicht war die Qualität schlecht»
Steht das Bild einmal, lässt es Leibundgut während rund zwei Tagen austrocknen, ehe er die Oberfläche verfugt. Dann putzen, unebene Stellen ausbessern, Holzränder schleifen und bemalen. Und je nach Projekt noch versiegeln. Hinter der Bierdeckelkunst stecken nicht nur kreative Höhenflüge sondern auch richtig viel Knochenarbeit.
Auf die Idee kam Leibundgut in den Strandferien, vermutlich in Spanien. So ganz genau kann er sich nicht mehr erinnern. «Jedenfalls fiel mir auf, wie die Bierdeckel in den Sand gedrückt ein Bild ergeben», erzählt er. «Und dass Bierdeckel aus aller Welt dieselbe Grösse aufweisen.» Die Idee zur sogenannten Bier-Art war geboren und schon bald folgten die ersten Kunstwerke.
«Aus heutiger Sicht war die Qualität schlecht», kommentiert Leibundgut seine ersten Werke. «Beispiele dafür, wie man es nicht machen sollte.» Irgendwann merkte der Künstler nämlich, dass nicht nur das Sujet zählt, sondern auch die saubere Verarbeitung. Zudem müssen die Materialien stimmen: Die Bierdeckel dürfen keine Knickse haben, sonst wird das Licht in alle möglichen Richtungen gebrochen und das Gesamtbild gestört. Und die aufgedruckten Motive müssen gezielt und immer gleich ausgerichtet sein. «Ein wildes Durcheinander erzeugt Unruhe im Bild», weiss der Künstler. Er achtet zudem darauf, dass die Bierdeckel zum Sujet passen. «Für mein Berner Wappen etwa habe ich ausschliesslich Berner Biersorten verwendet», erzählt Leibundgut. «Ehrensache!» Das 220cm breite und 170cm hohe Prachtstück besteht aus gut zweitausend Gurten-, Rugenbräu- und Egger-Bierdeckeln.
Hinter der Bierdeckelkunst stecken nicht nur kreative Höhenflüge sondern auch richtig viel Knochenarbeit.
«Berühmte Gesichter würden die meisten Betrachter auch verpixelt erkennen»
«Mit der Zeit stellte ich auch fest, dass gewisse Farbkombinationen wie etwa weisse Fugen mit gelben Deckeln unschön aussehen», sagt Leibundgut. «Oder dass die Bilder mindestens 60cm auf 40cm sein sollten.» Die Bierdeckel haben einen genormten Durchmesser von 26mm. Auf kleinen Flächen lassen sich mit derart grossen Pixeln kaum Details abbilden. Und manche Sujets eignen sich selbst im Grossformat nicht. «Marilyn Monroe und andere berühmte Gesichter würden die meisten Betrachter auch verpixelt erkennen», erklärt Leibundgut. «Bei einer unbekannten Person wird es schwieriger.» Folglich gehörten Porträts nicht zu seinem Repertoire.
Das Atelier befindet sich in Kiesen, einem kleinen Dorf zwischen Bern und Thun. Ursprünglich war das Gebäude eine Druckerei, davon zeugen die vielen Farbklekse an Boden und Wänden. Seit 1999 ist Leibundgut dort eingemietet. Die Kosten teilt er sich allerdings mit aktuell 13 weiteren Mietern, mehrheitlich Freunde aus Kindheit und Jugend. «Der Raum ist nicht bloss mein Atelier», stellt der Künstler klar. «Auch andere Mieter verausgaben und verwirklichen sich kreativ.»
Zudem dient das Atelier als Rückzugsort. Hier treffen sich die jungen Männer auf ein Bier und schauen gemeinsam Fussball. «Die meisten von uns sind grosse YB-Fans», sagt Leibundgut. Er hat der Berner Fussballmannschaft sogar ein eigenes Kunstwerk gewidmet: eine dreiquadratmetergrosse Nachbildung ihres gelbschwarzen Logos.
«Es kommt immer auf die Trinksituation an»
Ausser Bier und Sport begeistert sich Leibundgut für Musik. Er spielt und singt in der Punkrockband «Bone Busters», die mehrere Konzerte pro Jahr gibt. Hauptberuflich arbeitet er als Lehrer. Von der Kunst könne er nicht leben, das sei aber auch nicht sein Ziel. Er betrachte seine Bier-Art in erster Linie als schönes Hobby. «Mit dem erfreulichen Nebeneffekt, dass ich etwas daran verdiene», sagt Leibundgut. Seine kleineren Werke kosten je nach Aufwand zwischen 200 und 500 Franken, bei grösseren Bildern beläuft sich der Preis auf mehrere tausend Franken.
Mittlerweile hat Leibundgut jederzeit rund 100'000 Bierdeckel auf Lager und sein Freundeskreis unterstützt ihn tatkräftig bei der Sammelei. Ein einziges Lieblingsbier habe sich bei der grossen Vielfalt nicht herauskristallisiert. «Es kommt immer auf die Trinksituation an», meint der Künstler. Spontan fallen ihm India Pale Ales, Lapin Kulta aus Finnland und regionale Biersorten aus der Steffisburger Nikson Brewery ein.
Auf die Idee kam Leibundgut in den Strandferien.
Tamara Marie Johnson (*1988) ist Fitnessinstruktorin mit eidg. Fachausweis und Marketing Managerin. Sie lebt in Zürich und arbeitet teilweise als Redaktorin für «Die Ostschweiz».
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