Die 13. AHV-Rente soll mittels einer Steuer auf Finanztransaktionen finanziert werden. Dies jedenfalls findet die Mehrheit der Bevölkerung laut einer Umfrage. Kann das aufgehen? Und: Wer bezahlt die Rechnung?
Am 3. März machten sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger selbst ein Geschenk: Eine 13. AHV-Rente darf es sein. Doch wer soll das bezahlen? Natürlich die Anderen!
Dies jedenfalls das Ergebnis einer Umfrage der NZZ. Im Auftrag der Zeitung befragte das Umfrageinstitut YouGov Schweiz zwischen dem 8. und 10. März insgesamt 1258 Personen.
Das Ergebnis der Umfrage ist so klar wie eindeutig: Während fast zwei Drittel der Befragten die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen begrüssen, um die durch die 13. AHV-Rente zusätzlich benötigten 4-5 Milliarden Franken zu beschaffen, kann sich bloss ein Viertel für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, höhere Lohnabzüge oder ein höheres Rentenalter erwärmen.
Entsprechend titelte die NZZ: «Bitte nicht aus meinem Portemonnaie: Das Schweizervolk will nicht für die 13. AHV-Rente bezahlen». Die Bevölkerung wolle «nicht selber in die Tasche greifen, sondern das Geld in der Finanzbranche holen», schreibt das Blatt weiter.
Finanztransaktionssteuer: Eine alte Idee
Die Finanztransaktionssteuer ist eine alte Idee: Bereits 1972 schlug der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler und spätere Nobelpreisträger James Tobin eine solche Steuer auf internationale Devisengeschäfte vor. Entsprechend ist sie auch als Tobin-Steuer bekannt.
Die Argumente dafür und dagegen sind dabei so alt wie die Idee selbst: Während sich die Befürworter neben Fiskaleinnahmen auch eine Reduktion spekulativer Übertreibungen an den Finanzmärkten erhoffen, befürchten die Gegner, dass dadurch die Liquidität der Märkte abnimmt, wodurch deren Volatilität erst recht steigt.
Letzteres lässt sich gut am schweizerischen Aktienmarkt beobachten: Liegen bei oft gehandelten Aktien Kauf- und Verkaufskurse sehr nahe beieinander, so weichen sie bei wenig gehandelten Nebenwerten teilweise um zehn Prozent oder mehr voneinander ab.
Die Folge davon: Heute hat ein Käufer vielleicht das Glück, eine Aktie zu dem von ihm gestellten Kaufpreis angedient zu kommen, während er morgen zum zehn Prozent höheren Verkaufspreis zukaufen muss. Entsprechend springt der Preis von einen Tag zum anderen hoch und runter und ist der Handel für Verkäufer und Käufer entsprechend mühsam.
Der Vorreiter: Frankreich
Es mag kaum überraschen, dass es ausgerechnet das etatistisch geprägte Frankreich ist, welches bei der praktischen Umsetzung der Idee einer Finanztransaktionssteuer eine Vorreiterrolle einnimmt.
Das Land führte 2012 eine Finanztransaktionsteuer ein. Diese besteht aus zwei Teilen: Einerseits eine Steuer von ursprünglich 0,2 (heute: 0,3) Prozent auf Käufen und Verkäufen von Aktien französischer Firmen mit einer Marktkapitalisierung von über einer Milliarde Euro.
Andererseits eine Steuer von 0,01 Prozent auf Kauf- und Verkaufsaufträgen an der Börse, welche innerhalb von weniger als einer halben Sekunde geändert oder gelöscht werden. Damit soll der automatisierte Hochfrequenzhandel besteuert werden. Diese Steuer gilt nur für französische Firmen.
Resultat: Während mit der ersten Steuer pro Jahr gegen zwei Milliarden Euro eingenommen werden, ist der Ertrag bei der Steuer auf den Hochfrequenzhandel praktisch Null. Der Grund dafür: Dieser wird nicht von französischen, sondern ausschliesslich von ausländischen Firmen betrieben.
Die schweizerische Version: Eidg. Umsatzabgabe
Schaut man in der Schweiz neidvoll nach Frankreich, so gucken die Franzosen in der Schweiz. Professor Gunther Capelle-Blancard von der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne, ein glühender Verfechter einer Steuer auf Finanztransaktionen, nennt als Beispiele für Länder mit einer Finanztransaktionssteuer Japan, Hongkong, Taiwan — und die Schweiz.
Tatsächlich verfügt die Schweiz schon seit längerem über eine Finanztransaktionssteuer, bloss läuft diese hierzulande unter dem unverfänglichen Namen «Umsatzabgabe»: Auf im Inland gekauften oder verkauften Aktien fällt jeweils eine Abgabe von 0,15 Prozent bei inländischen und von 0,3 Prozent bei ausländischen Aktien an. Damit nimmt der Bund jährlich etwa 1,5 Milliarden Franken ein.
Woher sollen nun die zusätzlichen 4-5 Milliarden für die AHV kommen? Gerne natürlich von Spekulanten, welche im Hochfrequenzhandel Millionen scheffeln. Zumindest wenn es nach den Befürwortern einer Finanztransaktionssteuer für die Finanzierung der AHV geht.
Die Rechnung geht nicht auf
Die für die 13. AHV-Rente benötigten 4-5 Milliarden Franken sind etwas mehr als ein halbes Prozent der BIP in der Schweiz. Es reicht allerdings nicht, dass im Hochfrequenzhandel oder ähnlichen Geschäften tätige Firmen eine Wertschöpfung in dieser Höhe erzielen.
Denn die Steuer muss aus ja dem Gewinn und nicht aus der Wertschöpfung bezahlt werden. Da der Gewinn immer kleiner ist als die Wertschöpfung, müsste entsprechend der Anteil des Hochfrequenzhandels an der gesamten volkswirtschaftlichen Wertschöpfung nochmals deutlich mehr als bloss ein halbes Prozent betragen, damit daraus ein Gewinn in der Höhe von einem halben Prozent des BIP resultiert.
Und selbst das reicht noch nicht. Einmal angenommen, eine Branche mache 10 Milliarden Gewinn pro Jahr. Damit wird das eingesetzte Eigenkapital verzinst. Und zwar, in einer dem Wettbewerb ausgesetzten Branche, zum Marktzins.
Nun kann der Fiskus nicht einfach so die Hälfte des Gewinns wegbesteuern. Denn dadurch halbiert sich auch die Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals. Die Kapitaleigner werden das nicht einfach so hinnehmen. Die Folge: Kapital wandert ab, die Grösse der Branche nimmt ab und damit sinken die Steuereinnahmen.
Indirekt bestätigt das in der NZZ auch der Zürcher Finanzprofessor Marc Chesney: «Beim Hochfrequenzhandel wird gewettet wie im Casino, oder es werden sogar Finanzmärkte manipuliert. Wenn dieses Geschäft aus der Schweiz abwandert, schadet das der Wirtschaft nicht. Die realen Investitionen werden sich grundsätzlich nicht wegen einer Mikrosteuer ins Ausland verlagern.»
Über diese Einschätzung kann man durchaus geteilter Meinung sein. Klar ist jedoch: Setzt man sich zum Ziel, die AHV mittels einer Mikrosteuer finanzieren, dann kann es einem nicht egal sein, wenn die Steuersubjekte abwandern...
Die Zeche zahlen die Sparer
Möchte man die Einnahmen für die AHV hingegen beim «gewöhnlichen» Börsenhandel beschaffen, müsste die Umsatzabgabe von derzeit 0,15 Prozent auf ein halbes Prozent oder mehr erhöht werden.
Kleinanleger dürften sich davon nicht gross abschrecken lassen — schliesslich zahlen sie ja schon jetzt, aus reiner Gewohnheit, teilweise deutlich überrissene Courtagen an ihre Hausbank.
Etwas anders sieht es hingegen bei professionellen Investoren aus. Ein halbes Prozent zusätzliche Gebühr dürfte für diese Grund genug sein, Käufe und Verkäufe von Wertpapieren an ausländische Börsenplätze zu verlagern. Zumal die Spreads für grössere Devisentransaktionen schon jetzt sehr eng sind.
Wird also tatsächlich eine Finanztransaktionssteuer zu Gunsten der AHV eingeführt, dann dürfte sie hauptsächlich inländische Sparer und Kleininvestoren treffen. Oder mit anderen Worten: den Mittelstand.
Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.
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