Was passiert, wenn zwei Reinigungsfachkräfte nach der Bundesratswahl im Nationalratssaal die Papierkörbe leeren. Und was, wenn man bei einem Heissluftballon die Reissleine zieht.
Als Kinder lachten wir über den Witz mit den beiden Webstübelern – das waren damals die Insassen einer Basler Institution für mental etwas Benachteiligte, wie man heute wohl sagen müsste. Also: Schaut einer über das Brückengeländer und sagt: «Rate mal, was ich sehe! Es beginnt mit B». Der andere: «Was ist es?» «Ein Blatt!» Und wenig später der eine: «Ich sehe noch etwas. Es beginnt mit Sch…». «?» «Ganz einfach: scho wieder es Blatt.»
Hier die Aktualisierung: Zwei Putzfrauen leeren die Papierkörbe im Nationalratssaal. Sagte die eine: «Schau mal, da hab ich etwas, es beginnt mit G…» «Was ist es?» Antwort: «Ein Geheimplan!» Kurz darauf die erste, begeistert: «Schau mal, da hab ich noch etwas! Es beginnt mit einem Sch…» «Ja, was denn diesmal?» Nun, die Antwort wissen alle zu geben, die in den vergangenen Tagen die Schweizer Medien nutzten.
Meine inoffizielle Geheimplan-Rangliste führt übrigens Markus Somms «Nebelspalter» an, der soeben den dritten Geheimplan für die Wahl des Berset-Nachfolgers veröffentlicht hat. Zugegebenermassen nicht sehr geheim. Aber vielleicht gibt es ja Geheimpläne, die sind so geheim, dass sie weder vor, während noch nach der Wahl bekannt werden…
In trockenen Tüchern
Zur Zeit der Niederschrift dieser Zeilen sind die Bundesratswahlen «noch nicht in trockenen Tüchern», wie man zurzeit von jedem Bildschirm und auf jeder zweiten Zeitungsseite vernehmen kann. Die Rede- und Schreibwendung berührt uns nicht nur deshalb peinlich, weil sie aus dem nassforschen Slang teutonischer Nachrichtenmedien stammt. Sondern auch, weil sie uns unwillkürlich an nasse Windeln erinnert, die dringend gewechselt werden müssen. Sollen wir etwa daraus schliessen, dass die Windeln der Journalistinnen und Journalisten, die dauernd von «trockenen Tüchern» reden, noch ziemlich feucht sind?
Die Reissleine gezogen
Gleich zweimal innert wenigen Tagen hat der St.Galler Stadtrat, wenn man dem «Tagblatt» glauben darf, die «Reissleine gezogen»: Bei der fast schon endlosen Spitex-Geschichte und beim Debakel mit dem VBSG-Busdepot samt Betriebsgebäude im Lerchenfeld, das statt 46 Millionen plötzlich 259 Millionen kosten sollte. Das war sogar der rot-grün dominierten Stadtregierung zu viel. Wir sind schliesslich immer noch in St.Gallen und nicht in Zürich!
Trotzdem machen wir uns Sorgen über die Zukunft des Stadtrats: Wenn man bei einem Luftballon die Reissleine zieht, entweicht die Luft, der Ballon sinkt ziemlich schlagartig und schlägt eventuell sogar unsanft auf dem Boden auf. Journalisten reden dann gerne von «Bruchlandung». Doch das ist schon wieder ein anderes Kapitel….
Gottlieb F. Höpli (* 1943) wuchs auf einem Bauernhof in Wängi (TG) auf. A-Matur an der Kantonssschule Frauenfeld. Studien der Germanistik, Publizistik und Sozialwissenschaften in Zürich und Berlin, Liz.arbeit über den Theaterkritiker Alfred Kerr.
1968-78 journalistische Lehr- und Wanderjahre für Schweizer und deutsche Blätter (u.a. Thurgauer Zeitung, St.Galler Tagblatt) und das Schweizer Fernsehen. 1978-1994 Inlandredaktor NZZ; 1994-2009 Chefredaktor St.Galler Tagblatt. Bücher u.a.: Heute kein Fussball … und andere Tagblatt-Texte gegen den Strom; wohnt in Teufen AR.
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