Allen St.Gallern muss bewusst sein, dass die Schliessung des Spitals Wattwil mit der modernsten Spitalinfrastruktur im Kanton weitreichende Konsequenzen für die Region mit sich bringen wird.
Unbestritten: im Kanton St. Gallen gibt es langfristig gesehen zu viele Spitäler. Aufgrund des medizinischen Fortschritts verbunden mit einer zunehmend ambulanten medizinischen Versorgung und Spezialisierung sind immer weniger stationäre Betten erforderlich. Zudem halten Spitäler viele teure, aber ungenutzte Leistungen vor, welche die Situation bei vermehrt schwierig werdender Rekrutierung von Fachkräften verschärfen.
Auf der anderen Seite stehen die demografische Entwicklung, eine Zunahme von Multimorbidität und chronischen Erkrankungen; sprich die Bevölkerung wird immer älter und dementsprechend steigt das Risiko, krank zu werden.
Dem begegnete der Verwaltungsrat der Spitalverbunde des Kantons St. Gallen mit einer Analyse, die zum Schluss kommt, dass für den Kanton St. Gallen vier Spitäler (St. Gallen, Grabs, Uznach und Wil) ausreichend seien. Ökonomisch am sinnvollsten sei sogar eine 1-Spital-Variante allein mit dem Kantonsspital St. Gallen. Diese Empfehlung ging als so genanntes Grobkonzept Ende Mai 2018 an die Kantonsregierung, die daraufhin einen Lenkungsausschuss eingesetzt hat, der sich der Umsetzung der 4-Spitäler-Lösung angenommen hat.
Fairerweise muss man sagen, dass auch Alternativkonzepte und Stellungnahmen geprüft werden, aber primär wird das Grobkonzept der 4-Spitäler-Variante verfolgt. Eine Lösung respektive ein Entscheid über die zukünftige Spitalstruktur im Kanton St. Gallen soll dann spätestens 2020 vorliegen.
Währenddessen werden aber demnächst bereits die Spitäler Flawil und Rorschach geschlossen und für die weiteren geplanten und vom Volk beschlossenen Bauabschnitte im Spital Wattwil hat der Verwaltungsrat der Spitalverbunde eine «Denkpause» verordnet.
De facto handelt es sich aber um einen Baustopp, denn den Baufirmen wurden bereits die Aufträge entzogen. Entsprechende Regressansprüche laufen, ebenso ein juristischer Rekurs, denn rechtlich kann der Verwaltungsrat keinen Volksentscheid missachten und nicht dem Kantonsrat vorgreifen, der über die Spitalstandorte entscheidet.
Dass das Toggenburg – wie fast keine andere Region im Kanton St. Gallen – vom Hausärztemangel betroffen ist, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Hausärzte, die altershalber ihre Praxen schliessen, finden meist keinen Nachfolger (Bazenheid, Mosnang, Ganterschwil) oder tun sich extrem schwer, dauerhaft einen zu finden (ehemaliges SWICA-Center Wattwil, Neckertal, Oberhelfenschwil).
Dementsprechend angespannt ist die Lage, einen angemessenen Notfalldienst aufrecht zu erhalten. Heute müssen im Toggenburg auch die Hausärzte über 60 Jahre zwangsläufig Notfalldienst leisten, zu dem sie von Gesetzes wegen nicht verpflichtet wären. Von den 29 Hausärztinnen und Hausärzten im Toggenburg sind in sechs Jahren nur noch 10 (!) unter 60 Jahre alt. Bisher ist der Notdienst als Pikettdienst in der sprechstundenfreien Zeit organisiert.
Seit 2011 bestand als Neuerung die Möglichkeit, ab 22 Uhr den Dienst an das Spital Wattwil abzugeben. Mit dem geplanten Neu- resp. Ausbau des Spitals Wattwil hätte sich nun die Möglichkeit ergeben, ein zeitgemässeres und moderneres, dem Hausärztemangel angepasstes Notfallkonzept für die Region zu erarbeiten sowie die Vernetzung zwischen Spital und niedergelassenen Ärzten zukunftsweisend zu stärken.
In einem bald zweijährigen Prozess wurde deshalb vom Toggenburger Ärzteverein zusammen mit der Spitalregion Fürstenland Toggenburg (SRFT) ein neues Notfallkonzept nach dem Vorbild im Spital Wil ausgearbeitet. Dessen vertragliche Regelungen liegen nun unterschriftsreif vor. Kern- und Herzstück dieses Notfallkonzepts (auch geographisch gesehen) stellt die so genannte Integrierte Notfallpraxis im Spital Wattwil (INP) dar.
Durch den jetzt beschlossenen Baustopp kann die INP und damit auch die verbesserte Notfallversorgung nicht mehr realisiert werden. Wie sollen unter diesen Bedingungen zukünftig Hausärzte für das Toggenburg gewonnen werden?
Wie soll im Weiteren das Gesamtkonzept des Joint Medical Masters (Medizinstudium in St. Gallen mit dem Ziel für die Region Ärzte insbesondere Hausärzte auszubilden) aufgehen, wenn einerseits in den Regionen die ausbildenden Spitäler für die Studierenden fehlen und anderseits keine Chance besteht, Netzwerke zwischen Regionalspitälern und niedergelassenen Ärzten zu bilden, um die dringend benötigten Hausärzte für die Region zu gewinnen?
Das Spital Wattwil wurde als Ausbildungsstätte in den FMH-Beurteilungen mehrfach mit Bestnoten bewertet. Welchen Sinn ergibt die Schliessung des Spitals Wattwil für die ärztliche Zukunft unserer Region?
Wir Toggenburger Ärztinnen und Ärzte warnen: schliesst das Spital Wattwil, stirbt mittelfristig auch die Hausarztmedizin im Toggenburg!
Allen St.Gallerinnen und St.Gallern muss bewusst sein, dass die Schliessung des Spitals Wattwil mit der modernsten Spitalinfrastruktur im Kanton weitreichende Konsequenzen für die Region und die ärztliche Versorgung im Regel- und vor allem im Notfall mit sich bringen wird. Dies kann nicht die Lösung des eingangs erwähnten gesamtkantonalen Spitalproblems sein!
Dr. med. Uwe Hauswirth aus Wattwil ist Präsident des Toggenburger Ärztevereins.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.