Der neue Ruckhaldetunnel ist nach zweieinhalb jähriger Bauzeit fertiggestellt. Die Züge verkehren nach einem halbjährigen Unterbruch mit Bahnersatz zwischen St.Gallen und Teufen ab Sonntag, 7. Oktober 2018 regulär über die Neubaustrecke. Für die Bevölkerung findet am Samstag ein grosses Eröffnungsfest statt.
Rund 150 Persönlichkeiten aus Politik, Tourismus und Wirtschaft liessen sich diesen Moment nicht entgehen: Nach jahrelanger Planung und zweieinhalbjähriger Bauzeit wurde der Ruckhaldetunnel und mit ihm die gesamte Neubaustrecke am 5. Oktober 2018 feierlich eröffnet.
Mit dem Tunnel kommen auch die neuen «Tango»-Züge zum Einsatz, welche ab dem kommenden Fahrplanwechsel neu durchgehend von Trogen über St. Gallen nach Appenzell verkehren werden.
«Die grosse Herausforderung war die zeitliche Abstimmung der einzelnen Projekte, um heute diese Punktlandung zu erreichen», bilanziert Direktor Thomas Baumgartner und ergänzt: «Die Modernisierung der Appenzeller Bahnen ist ein wichtiger Meilenstein für unser Unternehmen und auch ganz besonders für unsere Kundinnen und Kunden».
Peter Füglistaler, Direktor des Bundesamtes für Verkehr, fügt hinzu: «Kundinnen und Kunden wünschen sich einen bezahlbaren, sicheren und pünktlichen öffentlichen Verkehr. Die Appenzeller Bahnen haben die Voraussetzungen hierfür geschaffen.»
Der neue Fahrplan: Viertelstundentakt und Schnellzüge
Die Verdichtung zum Viertelstundentakt St.Gallen-Teufen sowie ein zweiter Schnellzug von und nach Appenzell werden am 18. März 2019 eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt werden alle elf «Tangos» zur Verfügung stehen, um das neue Angebot zu produzieren.
Mit den neuen Fahrzeugen verkehren ab dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember 2018 abends (halbstündlich bis Mitternacht) auf dem Abschnitt St.Gallen-Appenzell neu Züge statt Busse. Das macht das Reisen komfortabler. Reisende aus Appenzell, Gais, Bühler und Teufen profitieren ausserdem von einer umsteigefreien Fahrt direkt ins St. Galler Stadtzentrum.
Der neue Fahrplan ist das Resultat eines langwierigen Prozesses. Die vielseitigen Bedürfnisse der Fahrgäste sowie die Koordination mit den anderen Transportunternehmen sind nur zwei von vielen Aspekten, die es bei der Planung zu berücksichtigen gilt.
Für den reg. Landammann des Kantons Appenzell Innerrhoden, Daniel Fässler, ist klar: «Mit diesem Schritt sind wir der Vision, in 30 Minuten von Appenzell in St.Gallen zu sein, einen grossen Schritt näher.» Auch der St.Galler Regierungspräsident, Stefan Kölliker, sieht den Nutzen der neuen Bahn: «Mit dem neuen Angebot wird der Bevölkerung eine deutlich verbesserte Alternative zum Individualverkehr geboten. Stadt und Land rücken näher zusammen.»
Ruckhaldetunnel: Zweieinhalb Jahre Bauzeit und ein Alpaufzug
Spatenstich, erste Sprengung, Durchstich, Ausbau – der Tunnelbau zwischen Oberstrasse und Riethüsli verlief über zweieinhalb Jahre reibungslos, unfallfrei und planmässig.
Das hätte auch anders kommen können: Verschiedene Gesteine, unberechenbares Grundwasser und ein sehr straffer Zeitplan waren die Herausforderungen an der Ruckhalde. Die Mineure waren im Zweischichtbetrieb im Einsatz – für einen Meter Vortrieb pro Tag.
Von Norden her wurde im Fels gesprengt, im Lockergestein im Süden kam ein Spezialbagger zum Einsatz.
Der 700m lange Tunnel ist mit einem Kostenanteil von CHF 60 Mio. das grösste Infrastruktur-Teilprojekt.
Ernst Boos, Präsident des Verwaltungsrates der Appenzeller Bahnen, zeigt sich zufrieden: «Die AB konnten mit den von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellten Mitteln das Werk im vereinbarten Kostenrahmen realisieren.» Der Tunnel ermöglicht eine kürzere Fahrzeit und in der Folge Optimierungen bei den Zugskreuzungen. Das wiederum ermöglicht den Viertelstundentakt bis Teufen sowie Schnellzüge von und nach Appenzell.
Dölf Biasotto, Bau- und Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Appenzell Ausserrhoden, freut sich: «Heute ist ein grossartiger Tag für Appenzell Ausserrhoden, denn das mehrjährige Engagement für den Ausbau der Bahninfrastruktur beginnt jetzt Früchte zu tragen. Die Modernisierung der Appenzeller Bahnen ermöglicht unserem Kanton dank Fahrzeugen der neusten Generation, kürzerer Reisezeit und Taktverdichtung einen Quantensprung im öffentlichen Verkehr. Dadurch wird das Reisen angenehmer und direkter sowie zwischen Teufen und St. Gallen auch dichter. Dieser Fortschritt ist von grosser volkswirtschaftlicher Bedeutung für die Ausserrhoder Gemeinden und den Kanton, die mit 26 Millionen Franken neben dem Bund den grössten Anteil beigetragen haben.»
Ein hübsches Detail: Der Ruckhaldetunnel ist auch ein Ort der Kunst. Pirmin Breu, Graffitikünstler der ersten Stunde, zeigt im Dunkel des Tunnels typische Figuren des Alpaufzugs. Wer im Zug sitzt und in Fahrtrichtung St. Gallen links aus dem Fenster schaut, begegnet den abstrakten und diskreten Figuren.
Das Appenzellerland tanzt: 11-mal «Tango» und 5-mal «Walzer»
An der Eröffnungsfeier am 5. Oktober 2018 wurde ein «Tango» auf den Namen «Solitüde» getauft und von Bischof Markus gesegnet.
Dieser «Tango» fährt ab Sonntag, 7. Oktober 2018 regulär über die Neubaustrecke durch den Tunnel. Die ersten der total 16 neuen Züge der Appenzeller Bahnen – elf «Tangos» für die Linie Trogen-St.Gallen-Appenzell und 5 «Walzer» für die Linie Gossau-Appenzell-Wasserauen – prägen bereits seit anfangs August das Landschaftsbild.
Sie stammen aus dem thurgauischen Bussnang: Die Stadler Rail AG konnte die komplexen Anforderungen der Appenzeller Bahnen erfüllen und hat 2014 bzw. 2015 den Zuschlag für diese Neubeschaffung erhalten.
Es sind keine Züge «ab der Stange», sondern stark auf die Bedürfnisse der AB angepasste Standardfahrzeuge. Die zwei Zugtypen unterscheiden sich sowohl technisch wie auch optisch.
Während der «Walzer» als Überlandbahn konzipiert ist und vor allem während der Sommermonate zusätzliche Kapazitäten bewältigen muss, ist der «Tango» ein klassischer Pendlerzug. Dieser Charakter schlägt sich auch im Design der Züge nieder: Im «Walzer» fährt das Brauchtum mit, der «Tango» ist urbaner gestaltet. Dem Designer-Team ist es hervorragend gelungen, die Merkmale der Region in den neuen Fahrzeugen zu spiegeln.
Unzählige Projekte: Die sichtbare und die unsichtbare Modernisierung
Der Bau des Ruckhaldetunnels und die Beschaffung der 16 neuen Zugskompositionen prägen das Bild der «neuen» Appenzeller Bahnen am stärksten. Doch auch eine Vielzahl von weiteren, unsichtbaren Elementen haben zum Gesamtwerk beigetragen und die Modernisie-ung abgerundet oder gar ermöglicht:
• Werkstatt Speicher: Verlängerung der Arbeitsgruben um 14 Meter und Anpassung der Dacharbeitsstände für den Unterhalt der «Tangos».
• AB-Bahnhof St.Gallen: Umbau zum Durchgangsbahnhof, d.h. Zusammenführung der beiden bisher richtungsgetrennten Linien St.Gallen-Trogen und St.Gallen-Appenzell zur durchgängigen Linie Trogen-St.Gallen-Appenzell.
• Güterbahnhof St.Gallen: Projektierung einer zukünftigen Halte- und Kreuzungsstelle (geplante Inbetriebnahme 2021) sowie einer neuen Linienführung.
• Kreuzungsstelle Liebegg: Verlängerung, Automatisierung der Weichen sowie Vergrösserung des Abstands von Schiene zu Strasse.
• Kreuzungsstelle Lustmühle: Verlängerung der Kreuzungsstelle für die Fahrplanstabilität im neuen Viertelstundentakt St.Gallen-Teufen und Neubau Perronanlagen.
• Bahnhof Teufen: Vorbereitungsarbeiten bei der Bahnhofskreuzung (neuer Kreisel) im Rahmen der Ortsdurchfahrt Teufen. Neubau Perronanlagen ab 2019.
• Diverse Haltestellen: Neubau Haltestelle Riethüsli, Verlängerung und Erhöhung der Perrons sowie behindertengerechter Umbau von diversen Haltestellen zwischen St.Gallen und Appenzell.
• Stellwerk und Zugbeeinflussungssystem: Modernisierung diverser Komponenten am Fahrzeug und auf der Schiene zur erhöhten Sicherheit der Fahrgäste.
Diese und weitere reguläre Unterhaltsarbeiten an der Fahrbahn erforderten von Fahrgästen, Verkehrsteilnehmenden und Anwohnern viel Geduld und Verständnis.
Neue Berufsbilder entstehen: Laptop gegen Schraubenschlüssel
Die Modernisierung war auch für die rund 200 Mitarbeitenden der Appenzeller Bahnen eine grosse Herausforderung: Zusätzliche Projekte, neue Arbeitsprozesse, umfassende Schulungen sowie kleinere und grössere Umstrukturierungen prägten den Arbeitsalltag während der letzten Jahre, Monate und Wochen.
So wird bei der Instandhaltung der neuen Züge weniger der Schraubenschlüssel, sondern vielmehr der Laptop das wichtigste Werkzeug sein. Auch der Führerstand – Arbeitsplatz von rund 60 Lokführerinnen und Lokführern – hat sich komplett verändert.
Die Schulung mit den neuen Zügen über die Neubaustrecke war eine grosse logistische Herausforderung – zusätzlich zum regulären Bahnbetrieb. Parallel sind in den letzten Jahren viele rückwertige Prozesse überarbeitet und digitalisiert worden.
Nur dank dem ausgezeichneten Zusammenspiel aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnte jede und jeder einen Mosaikstein zum Gelingen der modernen Appenzeller Bahnen beitragen.
Ein Blick nach vorne: Bereit für die nächsten vierzig Jahre
Mit dem Abschluss all dieser Modernisierungsmassnahmen haben die Appenzeller Bahnen ein Jahrhundertprojekt umgesetzt. Die Kundinnen und Kunden profitieren von einer komfortablen Bahn mit einem attraktiven Fahrplan zwischen Stadt und Land.
Doch auch in den nächsten Jahren stehen umfangreiche Projekte an.
Der Umbau zu behindertengerechten Haltestellen wird fortgesetzt, das neue Servicezentrum und damit die Aufhebung der Werkstätten Herisau und Gais befinden sich in der Projektierungsphase, ebenso die Ortsdurchfahrt Teufen. Der Fokus dieser Projekte liegt auf der unternehmerischen Effizienzsteigerung einerseits und den neuen, veränderten Mobilitätsbedürfnissen der Fahrgäste andererseits. Die Appenzeller Bahnen sind bereit für die Zukunft.
![Appenzeller Bahnen]()
Von links nach recht: Regierungsratspräsident Kt. SG Stefan Kölliker, reg. Landammann Kt.AI Daniel Fässler, Bau- und Volkswirtschaftsdirektor AR Dölf Biasotto, Verwaltungsratspräsident der AB Ernst Boos, Direktor Bundesamt für Verkehr Peter Füglistaler und Direktor der AB Thomas Baumgartner.
![Tango]()
Der «Tango» fährt bei der neuen Haltestelle Riesthüsli ein.