Die vier Spitalverbunde im Kanton St.Gallen im Überblick.
Wer sitzt eigentlich im derzeit heftig kritisierten Verwaltungsrat der St.Galler Spitalverbunde? Es sind alles Spezialisten ihres Fachs - allerdings ausgewählt nach ziemlich einschränkenden Kriterien.
Sie sind nicht zu beneiden - und irgendwie dennoch. Die Rede ist von den Mitgliedern des Verwaltungsrats der St.Galler Spitalverbunde. Sie bilden das Gremium, das die in vier Spitalverbunde unterteilten acht Landspitäler und ein Zentrumsspital strategisch führt. Nicht zu beneiden sind sie, weil sie derzeit heftig angeschossen werden. Beneidenswert ist, dass kaum jemand ihre Namen kennt. «Der Verwaltungsrat der Spitalverbunde» steht in der Kritik, namentlich werden sie kaum je genannt.
Nicht, dass die Zusammensetzung des VR geheim wäre. Aber es scheint es niemand so genau wissen zu wollen. Dabei ist ein Blick auf das Gremium durchaus interessant.
Neun Personen sitzen im Verwaltungsrat. Laut Eigendarstellung weisen sie sich aus «über medizinische, pflegerische, unternehmerische, ökonomische oder juristische Fachkompetenzen.» Geachtet habe man bei der Zusammensetzung zudem «auf eine angemessene regionale Vertretung wie auch auf eine angemessene Vertretung der Frauen.» Das ist eine Herausforderung bei der Besetzung: Je mehr Kriterien, desto schwieriger die Suche.
Nun gab es vereinzelte erste Rücktrittsforderungen an die Adresse des Verwaltungsrats. Da keiner bestimmten Person die Schuld an der Misere rund um die St.Galler Spitäler zugeschoben wird, muss man das als Forderung nach einem Gesamtrücktritt verstehen. Allerdings gab es erst gerade eine Auffrischung.
Just an dem Tag, als mögliche Spitalschliessungen zum Thema wurden, hatte der amtierende Verwaltungsratspräsident Guido Sutter, Wirtschaftsanwalt und Ökonom, seinen «Letzten». Er gab den Stab weiter an Felix Sennhauser, den ärztlichen Direktor der Universitäts-Kinderklinik Zürich, der zuvor bereits VR-Mitglied war. Auch die diplomierte Pflegefachfrau Monika Stalder verliess das Gremium per 31. Mai.
Die zwei Vakanzen werden mit der Pflegefachfrau Andrea Hornstein sowie mit dem Anwalt Martin Würmli gefüllt. Würmli ist derzeit Stadtschreiber von Zug, war lange Jahre lokalpolitisch in St.Gallen aktiv (Mitglied der CVP) und wird immer ins Spiel gebracht, wenn es um das St.Galler Stadtpräsidium geht. Hornstein sitzt im St.Galler Stadtparlament für die Politische Frauengruppe (PFG).
Hornstein und Würmli waren von der Regierung vorgeschlagen und im vergangenen Februar vom Kantonsrat bestätigt worden. Die beiden «Neuen» figurieren per 5. Juni noch nicht auf der Webseite der Spitalverbunde. Im Moment dürfte ihnen das durchaus recht sein.
Doch wer sass bereits vorher im Verwaltungsrat - und verbleibt dort?
Der Ökonom Bruno Glaus ist Vizepräsident des VR und leitet dort den Immobilienausschuss. Ein weiterer Ökonom im Gremium ist Leodegar Kaufmann, Treuhänder und früher unter anderem Präsident von «Wirtschaft St.Gallen» (WISG). Ebenfalls für die Geschicke der St.Galler Spitäler mitverantwortlich ist Yvonne Bieri, die Direktorin Departement Pflege am Kantonsspital Baden.
Mit Walter Kohler sitzt ein Wirtschaftsmediator im Verwaltungsrat der Spitalverbunde. Das weitere Mitglied Küngolt Bietenhard ist Fachärztin FMH Innere Medizin und Hausärztin in Gams. Peter Altherr schliesslich ist Leiter des St.Galler Amts für Gesundheitsversorgung und der Vertreter des Gesundheitsdepartementes im VR.
Die vier Spitalverbunde im Kanton St.Gallen im Überblick.
Ökonomen, Treuhänder, Ärzte, Pflegefachpersonen, Amtsleiter, Lokalpolitiker: Eine ziemlich bunte Truppe. Was auffällt: Es handelt sich zwar ausnahmslos um Spezialisten in ihrem Fach, aber aus ihren Biografien wird nicht ersichtlich, ob sie Querschnittserfahrung aufweisen. Ein Ökonom mit ausgeprägtem Wissen im Gesundheitsbereich, ein Arzt mit ausgeprägtem ökonomischen Sachverstand: Das wäre vermutlich die Mischung, die es braucht, um eine komplexe Organisation wie die der Spitalverbunde weiterzubringen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich die Spezialisten gegenseitig bei der Verteidigung ihres Fachbereichs gegenseitig aufreiben.
Dass eine Aargauern im Gremium sitzt, könnte man positiv auslegen: Sie verfolgt sicherlich keine eigenen regionalen Interessen. Gleichzeitig dürfte ihr zumindest intuitiv das Gespür für lokale Befindlichkeiten im Kanton St.Gallen abgehen. Felix Sennhauser, der neue VR-Präsident, ist heute zwar in Zürich tätig, ist aber ein St.Galler und war lange hier tätig.
Zusammengefasst: Man kann aus der Besetzung des Verwaltungsrats der St.Galler Spitalverbunde kaum herauslesen, dass dieser nicht qualifiziert für die Aufgabe wäre. Es entsteht aber durchaus der Eindruck, dass es vor lauter Kriterien - fachlich, geografisch, Geschlecht - so gut wie unmöglich war, gezielt Leute zu suchen (und zu finden), die mit der strategischen Führung einer komplexen Gesundheitsorganisation viel Erfahrung haben.
Sollte es aufgrund der jüngsten Vorkommnisse zu personellen Bewegungen kommen, müsste man vielleicht darüber nachdenken, nicht jede Gruppierung zufrieden stellen zu wollen - und nur der Sache verpflichtet zu sein. Es gibt mit Sicherheit Leute, die mit einer Ausgangslage, wie sie in St.Gallen herrscht, Erfahrung haben. Egal woher sie kommen. Und egal ob Frau oder Mann.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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