Noch immer gehen auf der Redaktion Rückmeldungen zum Kommentar über Viehschauen von Anfang September ein. Ein Grund für uns, das Gespräch mit Kantonstierarzt Albert Fritsche zu suchen. Er ist Leiter des Amtes für Verbraucherschutz, welches Kontrollen an Viehschauen durchführt.
Albert Fritsche, vielleicht zuerst eine ganz grundlegende Frage: Worin besteht der Nutzen von Viehschauen überhaupt?
Die Tierhalter möchten mit solchen Schauen die Zucht fördern, ihr Tiere den Berufskollegen, aber auch der Öffentlichkeit präsentieren (im Sinne einer «Gewerbeausstellung»). Sie möchten zeigen, wie sich diese Tiere im Verlauf des Sommers entwickelt haben und auch vergleichen können, ob sie züchterisch auf dem richtigen Weg sind. Für erstplatzierte Tiere erhält der Tierhalter Prämien.
Würden Sie sagen, dass Viehschauen dem Tierwohl förderlich sind oder eher schaden?
Wenn vor, während und nach Tierschauen alles korrekt abläuft, sind diese für das Tierwohl nicht schädlich. Die Tiere sind sich aufgrund der Alpung das «Fahren» (das Verschieben der Tiere zu Fuss oder in Einzelfällen in Fahrzeugen) gewohnt. Zu dieser Jahreszeit weisen sie meist auch eine gute Konstitution und Kondition auf (Höhentraining während der Alpzeit).
Führt das Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen Kontrollen an Viehschauen durch?
Ja! Grössere Viehschauen mit überregionalem Charakter werden im Kanton St.Gallen immer kontrolliert und Gemeindeviehschauen in Form von Stichproben.
Worauf wird bei diesen Kontrollen genau geachtet?
Primär auf das allgemeine Tierwohl. Dann sicher auch auf Erkrankungen von Einzeltieren. Zudem wird geschaut, ob es Hinweise für irgendwelche seuchenhafte Geschehen gibt. Auch die korrekte Markierung der Tiere wird kontrolliert. Falls Tiere mit Fahrzeugen vor Ort gebracht werden, werden diese ebenfalls angeschaut.
Wie häufig finden solche Kontrollen statt und wie lange dauern sie?
Kommt auf die Veranstaltung an. Bei kleineren Schauen kann dies in 30 bis 60 Minuten erledigt werden. Grössere Veranstaltungen, wie «Olma» oder «Tier und Technik», bei denen bereits die Auffuhr der Tiere unter Aufsicht von amtlichen Tierärztinnen und Tierärzten durchgeführt wird, nehmen mehrere Stunden in Anspruch.
Gibt es Missstände, die im Zuge solcher Kontrollen aufgedeckt werden?
Von kleineren Mängeln, wie fehlenden Ohrmarken, über einfache Mängel an Fahrzeugen bis zu anzeigepflichtigen Verstössen - übervolle Euter oder Fahrzeuge, die den Anforderungen nicht genügen - ist alles möglich.
Was geschieht, wenn Missstände festgestellt werden?
Es kann zu einer kostenpflichtigen Verfügung mit Fristen kommen, aber auch zu einer Strafanzeige, wenn beispielsweise zu volle Euter mit einer Ultraschallmessung nachgewiesen werden.
Was ist allgemein das Bild, welches das Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen an Viehschauen erhält?
Generell sind die Viehschauen, welche durch das AVSV kontrolliert werden, sehr gut unterwegs. Meist muss sehr wenig bis nichts beanstandet werden. Im Moment liegt bei den grossen Ausstellungen der Fokus vor allem auf den Eutern, und dies führte in naher Vergangenheit bei überregionalen bis nationalen Ausstellungen - Tier und Technik - in Einzelfällen auch zu Verfügungen und Strafanzeigen.
Ein Thema, das immer wieder in den Medien ist – auch bei uns – ist das Verkleben von Zitzen, damit die Euter bei der Beurteilung durch die Experten besonders prall gefüllt ist. Gibt es weitere Gründe für das Verkleben der Zitzen?
An Viehschauen wird das Verkleben von Zitzen durchgeführt, um das Auslaufen des Euters im Verlauf der Ausstellung möglichst zu verhindern. Die Tierhalter setzen unterschiedlich auf diese Methode. In der Folge von Zitzenverletzungen oder anderen Euterproblemen kann es auch zum Milchtropfen und Auslaufen kommen. Dies kann dann aus medizinischen Gründen zum Verkleben der Zitzen führen. Über einen nicht vollständig verschlossenen Milchkanal kann nicht nur Milch verloren gehen und austreten, es können auch Erreger ins Eutergewebe eindringen und zu Entzündungen führen.
Welche Schäden kann das Verkleben von Zitzen nach sich ziehen?
Wenn es korrekt durchgeführt wird und auch kein Überschreiten der maximal zulässigen Zwischenmelkzeiten vorkommt, führ das Verkleben eigentlich zu keinen Schäden an den Zitzen.
Das Interview wurde schriftlich geführt
Martina Signer (*1988) aus Mosnang ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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