Der St.Galler Ständerat Paul Rechsteiner (SP) muss bald nicht mehr allein im Zug nach Bern. Am Sonntag steht fest, an wen der zweite Sitz geht. Es gibt einen wahrscheinlichen Sieger, aber auch mögliche Spätauswirkungen der Ständeratswahl.
Es gibt sie durchaus, die Leute, die Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP) und Mike Egger (SVP) den Sieg zutrauen. Es sind in aller Regel ihre eigenen Parteikollegen. Von neutraler Warte setzt kaum jemand Geld auf einen der beiden. Zu gross war der Vorsprung von Benedikt Würth (CVP) im ersten Wahlgang, und zu wenig hat sich verändert seit diesem.
Die grössere Stimmbeteiligung an diesem Abstimmungswochenende mag Verschiebungen herbeiführen. Gerade SVP-Nationalrat Mike Egger war in der ersten Runde schwer unter seinen Erwartungen geblieben, wohl auch, weil die SVP-Basis nicht wie sonst üblich geschlossen aufmarschierte, sondern mit Blick auf einen wahrscheinlichen zweiten Wahlgang lieber zu Hause blieb. Das dürfte dieses Mal anders sein.
Und Vincenz-Stauffacher wiederum hat immerhin den guten zweiten Platz erreicht, was dazu führen könnte, dass nun noch mehr Frauen eine Chance wittern und ihre Solidarität via Stimmzettel zum Ausdruck bringen.
Das alles reicht aber vermutlich nicht, um Würth abzufangen. Sein Gesamtpaket ist wenig abenteuerlich, dafür umso mehr grundsolide. Aus der Mitte heraus erreicht er Leute von links bis rechts, und er wird nicht müde, seine Erfahrung und sein Netzwerk zu betonen. Er dürfte aller Voraussicht der neue St.Galler Ständerat werden.
Für die FDP wäre das gleichbedeutend mit dem Verlust des Ständeratssitzes, für die SVP geht es weiter in der Warteschlaufe. Aber für ihre beiden Kandidaten hat sich der Aufwand wohl dennoch gelohnt.
Mike Egger hat an Bekanntheit zugelegt, was ihm bei der Wiederwahl in den Nationalrat helfen wird. Seine Partei könnte dort einen Sitz verlieren, und als nachgerutschter Amtsjüngster wäre er theoretisch ein logisches «Opfer». Nun aber hat er den Vorteil.
Und Susanne Vincenz-Stauffacher will neu in den Nationalrat. Auch für sie waren die letzten Monate ein Werbefeldzug für diese Mission, wenn es mit dem Ständerat nicht klappt. Aber Politik folgt nicht immer einer inneren Logik. Es gibt auf der FDP-Liste Leute, die auch ohne diesen Bonus an ihr vorbeiziehen könnten.
Da gibt es noch den vierten Mann, Andreas Graf von den Parteifreien. Er hat keine Wahlchancen, wird aber sicherlich wie bei früheren Anläufen auf Ämter schön Stimmen machen. Wer morgen für die Abstimmungen an die Urne geht und für die drei Parteikandidaten nichts übrig hat, kann auf Graf ausweichen. Er ist aber ein Beispiel dafür, dass ein Kandidat, der durchaus etwas zu sagen hätte, keine Wirkung entfaltet, wenn es am Geld für den Wahlkampf fehlt.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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