Eine Art Anarchie breitet sich im St.Galler Spitalwesen aus. Flawil will mit einem privaten Anbieter zusammenarbeiten, Wattwil hat ein eigenes Konzept vorgestellt - und nun präsentiert auch Altstätten eigene Ideen, die den Erhalt des Spitals sichern sollen.
«Fällt die Spitallandschaft St.Gallen bald auseinander?», titelte «Die Ostschweiz» am 28. März 2019. Zwei Wochen später muss man feststellen: Es gibt tatsächlich Risse im Gebälk.
Bei früheren Versuchen, Spitäler zu schliessen, um Kosten zu sparen, hatten sich die Regionalspitäler beziehungsweise die Bevölkerung der betroffenen Regionen gewehrt, indem sie auf die Strasse gingen. Jetzt ist der Ansatz kreativer: Die Standortgemeinden arbeiten eigene Konzepte für den Weiterbetrieb aus - aus eigener Initiative. Und das, während gleichzeitig ein Lenkungsausschuss der St.Galler Spitalverbunde versucht, eine Gesamtstrategie zu definieren.
Nach Flawil und Wattwil kommt nun auch der Stadtrat von Altstätten mit einer «Lösung für eine sinnvolle Spital- und Notfallversorgung auf». Wie diese aussieht, wurde heute in einer Mitteilung an die Medien verbreitet.
Wie in Wattwil haben auch die Altstätter mit einem externen Berater zusammengearbeitet. Und zwar mit dem Basler Anwalt Andreas Faller, der sich auf das Gesundheitswesen spezialisiert hat. Er habe ein «konsistentes Leistungsangebot für den Spitalstandort Altstätten entwickelt.»
Der Fokus dabei: Die Spital- und Notfallversorgung für das Rheintal soll in Altstätten sichergestellt bleiben, gleichzeitig will man den Bereich der Akutgeriatrie ausbauen. Dort ist Altstätten heute schon aktiv. Dazu kommen sollen weitere Leistungen rund um Geriatrie.
Eine Tagesklinik und eine Tageschirurgie sollen eine «wohnortsnahe ambulante Grundversorgung» sicherstellen. Einfache Behandlungen würden tagsüber in der Notfallstation durchgeführt, nachts sollen Notfallpatienten an ein anderes Spital verwiesen werden. Gesundheitsvorsorge sowie einzelne Leistungen aus der Orthopädie inklusive Rehabilitation sind im Konzept des Stadtrats ebenfalls vorgesehen.
Aber Dreh- und Angelpunkt würde nach diesen Ideen die Geriatrie bilden. Angedacht ist laut der Mitteilung auch, die Zusammenarbeit zwischen dem Spital und dem Altersheim Haus Sonnengarten, die es bereits gibt, auszubauen.
Der Stadtrat schreibt: «Die vorgeschlagene Lösung stellt eine sinnvolle Weiterentwicklung der erfolgreichen Netzwerkstrategie dar, baut auf vorhandenen Stärken auf, berücksichtigt Veränderungen im Gesundheitswesen, orientiert sich am Bedarf der regionalen Bevölkerung und optimiert Behandlungsprozesse.» Gleichzeitig biete sie eine hohe Flexibilität, man könne auf künftige Veränderungen schnell reagieren. Die rede ist von einer «risikoreduzierten Alternative» gegenüber einer Lösung, die alle Leistungen an einem einzigen Spitalstandort konzentriere.
Der Verwaltungsrat der Spitalverbunde steckt in einer schwierigen Lage. Während er beziehungsweise sein auserkorenes Gremium versucht, eine Gesamtstrategie zu entwickeln, der ohne Frage einige der Regionalspitäler ganz oder teilweise zum Opfer fallen würden, sind diese munter daran, eigene Ideen zu entwickeln. Diese klingen isoliert recht überzeugend, die Frage ist nur, ob sie gesamthaft zu einer sinnvollen Lösung für den Kanton führen.
Es ist letztlich unumgänglich, dass die Ausrichtung aller Spitäler aufeinander abgestimmt wird. Wattwil, Flawil und nun auch Altstätten hoffen wohl, durch ihr Vorpreschen die Überlegungen in eine bestimmte Richtung zu lenken - in die von ihnen gewünschte. Jedenfalls kann man den jeweilige Gemeindebehörden keine Untätigkeit vorwerfen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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