Das Gesetz ist eigentlich klar: Der Kantonsrat entscheidet abschliessend über die Standorte der Spitäler. Das Stimmvolk hat keine Handhabe. Zudem zeigt ein Brief des Spitalverbundes, dass die Regierung seit November 2017 von der misslichen Finanzlage der Spitäler wusste.
Am 31. Mai 2018 wurden zwei Medienmitteilungen zur Situation der St.Galler Spitäler verschickt. Ein Absender war die Staatskanzlei des Kantons St.Gallen, der andere der Verwaltungsrat der St.Galler Spitalverbunde. Beide Schreiben drehten sich um die dramatische Lage der Spitäler und die Empfehlungen der Spitalverbunde. Sie raten, aus fünf der neun Häuser reine Ambulatorien zu machen. Zudem wird erklärt, welche Umstände zur Lage geführt haben.
November 2017 oder Mai 2018?
Was auf den ersten Blick verwirrt: Die Schreiben unterscheiden sich, was den Lauf der Dinge angeht. Die Regierung hält fest, sie sei am 15. Mai «über die Auswirkungen dieser Umstände auf die Finanzen der Spitäler informiert» worden. Der Spitalverbunde-Verwaltungsrat nennt auch den 15. Mai, hält aber fest, dass man an diesem Tag «ein mögliches Massnahmenpaket vorgestellt» habe. Über die finanzielle Entwicklung der Spitäler hingegen wurde die Regierung laut der Medienmitteilung bereits im November 2017 «erstmals informiert».
Mit anderen Worten: Es war seit einem halben Jahr bekannt, wie es um die St.Galler Spitäler steht. Auch wenn die Medienmitteilung der Regierung suggeriert, man kenne sie seit dem 15. Mai. Im Brief der Staatskanzlei wird die Information vom November 2017 nicht erwähnt.
Strukturelles Defizit war bekannt
Thomas Zuberbühler, Leiter Kommunikation der Staatsverwaltung, sagt zum Verlauf der Dinge, dass sich die Information im November 2017 um «die allgemeine Situation in Bezug auf die veränderten Rahmenbedingungen für die Spitäler» gedreht habe. Ein Ausschuss des Verwaltungsrates habe aufgezeigt, wie sich die verschiedene Massnahmen - Tarifeingriffe des Bundesrates, die Vorgaben zu mehr ambulanten Behandlungen ab 2019 und die weiterhin nicht kostendeckenden Tarife - auf die Erträge auswirken. «In diesem Zusammenhang wurde auf das prognostizierte strukturelle Defizit hingewiesen», so Zuberbühler. Und es wurde ein Grobkonzept für den Mai in Aussicht gestellt.
Mit anderen Worten: Das Problem wurde im November 2017 geschildert, danach folgte die Ausarbeitung der Lösungsvorschläge. Es stellt sich aber die Frage, ob angesichts der schon vor sechs Monaten bekannten misslichen Lage keine Sofortmassnahmen hätten getroffen werden können und müssen. Am Spital Wattwil beispielsweise wurde in den vergangenen Monaten fleissig gebaut, obschon sich abzeichnete, dass ein blosses «Weiter so» vielleicht bald nicht mehr möglich ist.
Wäre beispielsweise ein vorsorglicher Baustopp in Wattwil eine Option gewesen, um einen Teil der Steuergelder zu retten? Immerhin ist denkbar, dass Wattwil dereinst ein Ambulatorium ist - ohne Bettentrakt, wie er jetzt gerade neu erstellt wurde. Eine Frage, zu der der Kanton keine Stellung nehmen könne, so Thomas Zuberbühler, «sie fällt in die Kompetenz des Verwaltungsrates der Spitalimmobilien-Gesellschaft.» Denn Bauherren sind die Spitalgesellschaften, nicht der Kanton.
Kantonsrat entscheidet abschliessend
Wie geht es nun weiter? Immer wieder war in Debatten zu hören, das «Volk» werde sich gegen mögliche Spitalschliessungen wehren. Das ist aber nicht zwingend so. Das Gesetz über die Spitalverbunde besagt in Artikel 2: «Der Kantonsrat legt die Spitalstandorte fest.» Ein mögliches Referendum - obligatorisch oder fakultativ - ist dort ausdrücklich nicht vorgesehen. Das würde bedeuten: Das Parlament entscheidet im Alleingang über das Schicksal der Landspitäler.
Diese Interpretation der Sachlage stimme generell, so Thomas Zuberbühler. Es sei aber rechtlich noch abzuklären, wie es sich mit den Volksentscheiden aus dem Jahr 2014 verhält. Damals hat das St.Galler Stimmvolk diversen Bauvorlagen an St.Galler Spitälern zugestimmt, es sind noch längst nicht alle Bauphasen durch, und die Frage ist nun wohl, ob man über diese Entscheidung der Stimmbürger mit einer Schliessung einfach hinweggehen kann. Diesbezüglich seien «weitere rechtliche Abklärungen im Gang.»
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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