Die St.Galler Spitallandschaft soll neu ausgerichtet werden. Bis dahin vergeht noch viel Zeit. Doch schon heute spüren die Landspitäler die Auswirkungen. Mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind überzeugt: Der Abbau ist in Wahrheit bereits seit langem im Gang.
Die Verunsicherung ist gross. Bei der Belegschaft, aber auch bei den Patienten. Seit bekannt ist, dass fünf der heutigen Spitäler im Kanton St.Gallen auf ein Minimalangebot reduziert werden sollen, ist die Atmosphäre angespannt.
In den letzten Tagen haben sich mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter* der Spitäler Altstätten und Walenstadt bei «Die Ostschweiz» gemeldet und sich zur aktuellen Situation geäussert. Sie erleben jeden Tag, was es heisst, unter dem Damoklesschwert der Umwandlung in ein regionales Gesundheits- und Notfallzentrum zu leben. Aber davon sind nicht nur die Angestellten betroffen, auch bei den Patienten herrscht Unsicherheit. «Wir haben hier täglich mindestens zehn Anrufe von Patienten, die uns bitten, ihnen ihr Dossier zu schicken, denn es heisse ja, das Spital werde Ende Jahr geschlossen», sagt eine Mitarbeiterin des Spitals Altstätten. Das ist natürlich eine Fehlinformation, aber sie zeigt, dass Teile der Bevölkerung durch die laufenden Meldungen rund um Umwandlungen und Schliessungen nicht mehr wissen, woran sie sind.
Vieles von dem, was im Zusammenhang mit dem neuen Spitalmodell kommuniziert wurde, wird von den Leuten hinterfragt, die täglich an der Front arbeiten. So heisse es beispielsweise immer, die Landspitäler hätten Schwierigkeiten, Fachpersonal zu finden. Das sei Unsinn, sagt eine andere Spitalmitarbeiterin. «Es gibt genug Leute, die sich melden und vorstellen, aber ihnen werden mehrere hundert Franken weniger geboten als am Kantonsspital.» Das dürfe laut dem neuen Lohnsystem, das seit Anfang Jahr in Kraft sei, eigentlich gar nicht sein, aber es schrecke mögliche Anwärter ab. Sie ist sich sicher: «Auf diese Weise werden wir ausgehungert, so dass die Verantwortlichen am Schluss sagen können: Wir müssen das Spital schliessen, weil hier niemand arbeiten will.»
Die vorgesehene Notfallstation mit vier Betten und einem 24-Stunden-Betrieb hält eine Angestellte des Spitals Walenstadt für eine Farce. Dieses Angebot diene nur als «Futter für die Öffentlichkeit», um zu kommunizieren, dass weiterhin ein Notfall angeboten werde. Wirtschaftlich könne das nicht sein, «ein solches Modell gibt es sonst nirgends.» Auch die Hausärzte seien damit nicht einverstanden, und mit diesen habe man auch nie gesprochen. Sie verweist auf ein Beispiel in Basel, das ähnlich verlaufen sei. «Man macht das Spital unattraktiv, wartet darauf, dass die Leute kündigen – und kann dann guten Gewissens den Laden zumachen.»
Eine weitere Mitarbeiterin am Spital Walenstadt spricht – auch im Namen einiger Kolleginnen und Kollegen - von einer «eklatanten Fehlplanung und Misswirtschaft». Während man einige Spitäler unter Druck setze, werde andernorts viel Geld eingesetzt, aus ihrer Sicht nicht am richtigen Ort. In Grabs sei eine Wirbelsäulensprechstunde eingeführt worden, «aber da geht so gut wie niemand hin.» Und während man dem Spital Walenstadt eine Intensivstation aberkenne, werde in Grabs eine solche provisorisch und für viel Geld eingerichtet. «Das Geld versickert in Grabs», ist sie überzeugt. Und auch wenn sie nur für ihr Spital sprechen könne, sei sie sicher: In Flawil, Wattwil, Altstätten und Rorschach mache man wohl ähnliche Erfahrungen.
Die betroffenen Spitäler, so ihre Überzeugung, werden seit zwei Jahren systematisch abgebaut, «aber jetzt spitzt es sich zu.» Das sei am Alltag zu erkennen. «Bei uns in Walenstadt gibt es Abteilungen, in denen die Leute nichts zu tun haben, in Grabs ertrinken sie in Arbeit.» Spreche man das an, heisse es stets: «Ein Werdenberger Patient fährt nicht nach Walenstadt.» Die Mitarbeiterin antwortet darauf: «Aber umgekehrt geht es?»
Derzeit herrsche im Spital eine «traurige Atmosphäre», sagt eine weitere Ansprechperson, die ihren Arbeitsort nicht nennen will, weil sie befürchtet, man könne Rückschlüsse auf sie ziehen. Jeder versuche sich selbst zu retten. «Von oben» heisse es zwar stets, dass sich vor dem Jahr 2028 ohnehin nichts verändern werde. «Aber gleichzeitig hat die Spitalleitung jetzt mit Einzelgesprächen begonnen.» Auf Fragebögen werde festgehalten, ob man bereit sei, weiter am Spital zu arbeiten oder ob man sich auch eine andere Anstellung auf Kantonsgebiet vorstellen könne. Für die Frau ein Unding: «Das neue Spitalmodell ist ja noch nicht einmal beschlossene Sache, und bereits werden wir schleichend abmontiert.»
*Die Namen sind der Redaktion bekannt.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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