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Freitags-Glosse

Waldmeyer und das Sondervermögen

Die deutsche Regierung bedient sich bei der Beschaffung von neuen Armeegerätschaften eines raffinierten Taschenspielertricks: Ausgaben sollen einfach als „Sondervermögen“ getarnt werden. Waldmeyer lernt daraus.

Roland V. Weber am 22. Juli 2022

Die dringend nötige Ertüchtigung der heruntergekommenen Armee wird damit mittels Erfindung dieses „Sondervermögens“ finanztechnisch gar nichts kosten. Bundeskanzler Scholz, gelernter Verwaltungsjurist, hatte schon immer etwas Mühe mit der Buchhaltung. Jetzt wird seine ökonomische Unbedarftheit noch sekundiert von seinem Finanzminister. Laut Lindner erfolgt die Beschaffung der neuen Armeeausrüstung mittels eben diesem „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro. Dies im Sinne einer „einmaligen Ausnahme, welche neben die Schuldenbremse gestellt wird“. Bei Waffen, Munition und anderen Armeeausrüstungen handelt es sich also allesamt und plötzlich nicht mehr um Aufwandposten, sondern um eine einzige grosse, immerwährende Investition.

Waldmeyer überlegte: Er könnte doch seinen Porsche Cayenne (schwarz, innen auch) auch nie abschreiben, sondern einfach zum ursprünglichen Investitionswert virtuell stehen lassen. Normalerweise müsste der Wagen, grosszügig gerechnet, in 10 Jahren auf null abgeschrieben werden. Waldmeyers Haushaltsbudget in Meisterschwanden müsste also pro Jahr mit rund CHF 10‘000 Amortisationskosten belastet werden (neben den nicht zu unterschätzenden Betriebskosten für den schweren Achtzylinder). Man könnte den Wagen einfach nie hergeben und ihn während einer unendlichen Zeit im Garten stehen lassen. For ever. Waldmeyer sah sofort ein, dass das ein schlechter Finanzplan wäre. Und das mit dem Garten ginge schon wegen Charlotte nicht.

Da macht es der Lindner schon gut: Er schreibt die neuen Geräte einfach nicht ab. Zumindest wird das so bleiben, so vermutet Waldmeyer, solange er in der Ampelregierung bleibt.

Zum Teil lässt sich das alles sogar ein bisschen erklären: Da rotten in Deutschland nämlich eingemottete Panzer aus den 70er Jahren vor sich hin, zählen aber immer noch zum Armeebestand. Man könnte also tatsächlich versucht sein, solche Geräte während 50 Jahren abzuschreiben, das entspräche einem Amortisationssatz von lächerlichen 2% pro Jahr! Waldmeyer könnte nur träumen von einem derart vergünstigten Porsche Cayenne.

Obwohl z.B. Uraltpanzer ausgemustert in teuren Armeehallen stehen, ist Waldmeyer nun klar, warum diese Geräte nur zögerlich an die Ukraine geliefert werden: Sie befinden sich nämlich noch mitten in einem Abschreibungszyklus, aus dem sie nicht herausgerissen werden können! Diese Gefährte tun also keinesfalls nichts - im Gegenteil: Ihre Funktion konzentriert sich, mit grosser Andacht, auf das einsame Amortisieren in diesen klimatisierten und von viel Personal unterhaltenen Hangars.

Immerhin werden diese alten Geparde, Marder, Haubitzen usw. in der Staats-Bilanz Deutschlands (vermutlich) ein klein bisschen abgeschrieben jedes Jahr. Dies im Vergleich zu den geplanten neuen Gerätschaften in dem Sondervermögen: Hier drückt sich die Ampel-Truppe um die Nennung eines Abschreibungssatzes; im Moment ist tatsächlich nichts vorgesehen. Der Linder, dieser brillante Finanzminister, ist schon ein cleverer Hund: Er kann Schulden fast zu Nullzinsen aufnehmen und wechselt es dann in ein Sondervermögen um, dieses wiederum wird in Form von neuem Armeespielzeug angelegt - ohne Kosten, wohlverstanden! Frau Amherd sollte sich mal überlegen, ob wir unsere neuen Kampfjets nicht auch gratis bekommen könnten.

Waldmeyer studierte nun, wie er diesen raffinierten Beschaffungsansatz für sich selbst anwenden könnte. Das mit dem Porsche funktionierte offensichtlich nicht, seine kurze Halbwertszeit ist zu offensichtlich.

Vielleicht klappt es besser mit dem Weinkeller: Waldmeyer könnte zum Beispiel, als „Sondervermögen“, 2’000 Flaschen seines geliebten Terre Brunes einlagern. Oder, vielleicht noch nachhaltiger, einen schönen Bordeaux bunkern – so beispielsweise den Château Faugères. Der hält sich ziemlich lange. Beim derzeitigen Beschaffungswert entspräche diese Investition sogar weniger als einem neuen Porsche. Wenn man diesen guten Saint-Emilion dann gar nicht trinkt, sondern nur klug lagert, müsste er auch nicht abgeschrieben werden.

Für diesen etwas unerfreulichen Plan, nämlich das Nicht-Trinken, hatte Waldmeyer rechnerisch bereits einen eleganten Ausweg gefunden: Wenn der eingelagerte Château Faugères nur schon 2.5% jährlich an Wert zulegen würde, könnte er jährlich 2.5% seines Weinbestandes konsumieren, ohne den Gesamtwert der gehorteten Flaschen zu verringern! Das entspräche immerhin einer Flasche pro Woche. Aber eben nur einer einzigen Flasche.

Das stimmte Waldmeyer nun doch etwas nachdenklich, und er meinte zu Charlotte: „Was der Lindner kann, können wir auch. Oder wir machen es sogar besser. Charlotte, sollten wir die Bestellung nicht etwas erhöhen?“

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Autor/in
Roland V. Weber

Roland V. Weber (*1957) verbrachte einige Zeit seines Lebens mit ausgedehnten Reisen. Aufgewachsen in der Schweiz, studierte er Betriebswirtschaft in St. Gallen und bekleidete erst verschiedene Führungspositionen, bevor er unabhängiger Unternehmensberater und Unternehmer wurde. Er lebt in den Emiraten, in Spanien und in der Schweiz. Seit Jahren beobachtet er alle Länder der Welt, deren Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Er bezeichnet sich selbst als «sesshafter digitaler Nomade», als News Junkie, Rankaholic und als Hobby-Profiler.

Roland Weber schreibt übrigens nur, was er auch gerne selbst lesen würde – insbesondere, wenn Sachverhalte messerscharf zerlegt und sarkastisch oder ironisch auf den Punkt gebracht werden.

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