Der Gemeinderat Wattwil bezieht Stellung zu den jüngsten Verlautbarungen der St.Galler Spitalverbunde. Er sei «irritiert über weiteres Vorpreschen des Verwaltungsrats». Die Gemeinde stellt zudem klar, dass man am selbst ausgearbeiteten Konzept fürs Spital festhält.
In den letzten Tagen haben sich verschiedene Seiten zur St.Galler Spitalpolitik geäussert. Die Aufregung ist vor allem im Toggenburg gross, denn das Spital Wattwil soll mächtig Federn lassen - noch bevor klar ist, wie die künftige Spitalstrategie aussieht (siehe Beiträge unten).
Nun äussert sich auch die Standortgemeinde, konkret der Gemeinderat von Wattwil. Und seine Stellungnahme lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Der Verwaltungsrat der Spitalverbunde treibe die Politik vor sich her und erzwinge «irreversible Entscheide, welche die medizinische Grund- und Notfallversorgung im Toggenburg akut gefährden», heisst es. Und weiter: «Die Politik muss diesem verantwortungslosen Handeln Einhalt gebieten.»
Schon nach der Entscheidung eines Baustopps am Spital Wattwil gingen die Wogen hoch, und diese «Denkpause» wurde inzwischen auf unbestimmte Zeit verlängert. Im Toggenburg herrscht Angst, dass die Baumaschinen gar nie mehr auffahren werden. Dazu kommt, dass per 1. November laut jüngstem Beschluss in Wattwil nicht mehr operiert wird. Immer mehr Leistungen konzentrieren sich damit in Wil.
In diesem Zusammenhang greift der Wattwiler Gemeinderat zu deutlichen Worten. Der Verwaltungsrat agiere abstrus, denn die Kapazitäten seien mit einem neu gebauten Operationssaal in den letzten Monaten noch vergrössert worden. Diese Investition werde nun «gleich wieder in den Sand» gesetzt.
Der Wattwiler Gemeindepräsident Alois Gunzenreiner tritt in diesem Drama in einer Doppelrolle auf. Er steht zugleich an der Spitze des Vereins, der sich für den Erhalt des Spitals stark macht. Er ist es denn auch, der in der aktuellen Stellungnahme zu Wort kommt - und im Grunde eine kaum verklausulierte Rücktrittsforderung stellt.
Gunzenreiner schreibt: «Der Spitalverwaltungsrat zieht seinen Plan durch. Er zeigt kein Interesse an der vielzitierten Ergebnisoffenheit. Einmal mehr tritt er die Sorgen der Bevölkerung und die Nöte der Mitarbeitenden mit Füssen und desavouiert den Strategieprozess, den die Regierung definiert hatte. Das ist auch demokratiepolitisch äusserst bedenklich. Der Verwaltungsrat verdient damit kein Vertrauen mehr.»
Der Frust sitzt umso tiefer, als man in Wattwil den Abbau- oder Schliessungsplänen keineswegs tatenlos zugesehen hat. Der Gemeinderat liess zusammen mit Experten ein Alternativmodell für das Spital ausarbeiten. Dieses nennt sich «Integrierte Gesundheitsversorgung Toggenburg». Voraussetzung dafür ist, dass das Spital Wattwil in eine selbständige Trägerschaft überführt wird.
Gunzenreiner beruft sich nun auf ein Versprechen der St.Galler Regierung, dass man Vorschläge der Standortgemeinden in die Arbeit an der neuen Spitalstrategie einfliessen lassen werde. Darauf vertraue man weiterhin. In Wattwil wünscht man sich offensichtlich, dass die Regierung entsprechenden Druck auf den Lenkungsausschuss ausübt, der an dieser Strategie arbeitet.
In der zweiten Hälfte Mai soll es ein Treffen geben, bei dem diskutiert wird, ob und wie das Wattwiler Alternativmodell in die Strategie einbezogen wird.
Im zweiten Teil der Stellungnahme listet der Gemeinderat «bedenkliche Widersprüche» auf, die er erkannt haben will:
Zeitdruck versus Baustopp: Mit der «Denkpause» wollen die Spitalverbunde dafür sorgen, dass nichts gebaut wird, was dann in einer neuen Strategie vielleicht nicht nötig ist. In Wattwil sieht man das anders: Weil für die nächsten ein bis zwei Jahre am Spital Wattwil nichts mehr gehen soll, werde sich die Situation weiter verschlechtern, die Motivation des Personals sinke, es werde schwieriger, Ärzte zu finden, und damit führten diese Massnahmen «einzig hin zur Schliessung des Spitals».
Ergebnisoffenheit versus 4-Standorte-Konzept: Der derzeitige Prozess soll laut dem Verwaltungsrat der Spitalverbunde «ergebnisoffen» verlaufen. Gleichzeitig sieht aber das 4-Standorte-Konzept vor, nur noch vier Spitäler mit stationären Leistungen zu haben. Das sei nicht ergebnisoffen, das seien vollendete Tatsachen, so der Gemeinderat.
Sicherheit versus Unsicherheit: Hier bemängelt der Gemeinderat, dass nach wie vor keine Gesamtstrategie bekannt ist, man aber mit «erzwungenen Einzelmassnahmen» die Handlungsfreiheit für die Zukunft raube. Statt mehr entstehe weniger Sicherheit bei Patienten, Bevölkerung und der Belegschaft.
Alleingang versus Einbezug der Betroffenen: Die jüngsten Entscheidungen seien nicht zusammen mit den Betroffenen ausgearbeitet worden, jedenfalls nicht im Fall von Wattwil, hält der Gemeinderat fest. Aber die Kommunikation der Spitalverbunde habe diesen Eindruck vermittelt.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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