Nach turbulenten Wochen hat sich die FDP Appenzell Ausserrhoden nun im letzten Moment doch noch formiert für die Nationalratswahl. Sie will der SVP mit der weitgehend unbekannten Jennifer Abderhalden aus Speicher den Sitz abjagen. Chancen hat sie nur mit einem «Anti-SVP-Reflex».
Soviel muss und darf man sagen, ohne respektlos zu sein: Wird Jennifer Abderhalden von der FDP am 20. Oktober in den Nationalrat gewählt, dann kaum, weil das Stimmvolk unbedingt die freisinnige Frau in Bern wissen will. Eine solche Entscheidung würde sich viel eher gegen den bisherigen Nationalrat David Zuberbühler (SVP) richten.
Denn Abderhalden ist keine politische Figur in Ausserrhoden. Ihr Name wurde einer breiteren Gruppe erst bekannt, als er erstmals gerüchtehalber im Zusammenhang mit dem Nationalrat auftauchte. Danach verschwand er aber wieder, weil klar wurde, dass die Partei gerne auf Daniela Merz setzen würde. Und ihr gesundheitsbedingter Verzicht brachte den Namen Abderhalden wieder aufs Tapet.
Das passt im Grunde, denn von Anfang an war es die Mission der Ausserrhoder FDP, den vor vier Jahren verlorenen Sitz wieder zurückzuholen - egal wie und egal mit wem. Deshalb kam es auch zum Schulterschluss mit der SP, mit der die FDP eigentlich nichts verbindet, ausser eben der Widerwille gegen die SVP. Man könnte es als Machtpolitik bezeichnen.
Jennifer Abderhalden war der Wahlvorschlag ihrer Ortspartei Speicher. Die Sektionen waren nach dem Aus von Merz gebeten worden, noch einmal nach Kandidaturen zu «graben». Offensichtlich war es nur der FDP Speicher gelungen, überhaupt jemanden vorzuschlagen. Mit anderen Worten: Abderhalden war nach dem Ausstieg von Merz buchstäblich die einzige Option. Immerhin zeigten die Delegierten im Rahmen ihres Sommerfests Geschlossenheit und hoben Abderhalden fast einstimmig auf den Schild. Vermutlich wollte man sich vor dem Stargast, Bundesrat Ignazio Cassis, auch keine Blösse geben mit endlosen Diskussionen und Kritik an der Strategie.
Wie gross sind die Chancen von Abderhalden? Sie weiss als aktive Führungsfigur der Frauenzentrale AR diese Seite hinter sich, aber es ist nicht so, dass Frauen geschlossen Frauen wählen. Innerhalb der FDP selbst sind ebenfalls längst nicht alle einverstanden mit dem Vorhaben, den amtierenden Nationalrat um jeden Preis aus dem Amt zu kegeln. Denn neben einigen Kernthemen der SVP, in der diese eher allein steht, gibt es auch diverse, in denen sich FDP-Mitglieder vom SVP-Mann durchaus vertreten fühlen, beispielsweise in der Gewerbepolitik.
Die SP wiederum ist sicher daran interessiert, dass Zuberbühler seinen Platz in Bern räumen muss, weil seine Politik im starken Gegensatz zu ihrer steht. Aber gelingt es auch, die SP-Basis für eine eher unbekannte Freisinnige zu mobilisieren? Die SP hat am 20. Oktober selbst nichts zu gewinnen.
Durch die Nominationsversammlung der FDP zog sich ein Thema: Weg mit der SVP. Gegen deren Nationalrat selbst und seine Arbeit wurde einmal mehr nichts Konkretes ins Feld geführt, es geht reichlich schwammig um das «Weltbild» der SVP, das im Gegensatz zum Liberalismus stehe. Aber tunlichst umgehen die Freisinnigen dabei stets die Frage, was dafür sprechen soll, dass sie beide Ausserrhoder Sitze im Bundeshaus inne haben. Denn Andrea Caroni ist bei der Wiederwahl als Ständerat konkurrenzlos gesetzt.
Es wäre also bei einer Wahl von Jennifer Abderhalden wie in den alten Zeiten: Die FDP als einzige Vertreterin des Kantons Appenzell Ausserrhoden in der Bundespolitik. Und ganz nebenbei würde eine politische Quereinsteigerin einen Nationalrat mit vier Jahren Erfahrung in Bern ersetzen.
Wäre das Projekt mit Daniela Merz als Kandidatin gelungen, wäre die Ausgangslage eine andere. Nun aber wirkt das Ganze eher wie eine Notfallübung mit dem erklärten Ziel, wieder die alleinige Vormachtstellung zu erobern. Ob das die Wählerschaft goutiert, ist zu bezweifeln.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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